Schiwas feuriger Atem
hatten. Vor hundert Jahren waren die Menschen aus härterem Stoff, dachte er. Andererseits wären sie vor hundert Jahren gegen Schiwa vollkommen hilflos gewesen. Vielleicht glich sich das aus.
Es klopfte.
Er öffnete. Draußen stand der Sicherheitsbeamte mit leicht verkniffener Miene neben einer schwarzhaarigen Frau, die seltsam erwartungsvoll lächelte. »Miss Conner, Sir.« Carl nickte, trat beiseite und ließ sie eintreten, dann machte er dem Bewacher die Tür vor der Nase zu.
Sie wandte sich um, trat rasch an ihn heran und legte ihm die Arme um den Hals. »Eine richtige Festung«, sagte sie mit tiefer, warmer Stimme. Ihr Körper, üppig und weich, preßte sich an ihn. Sie küßte ihn hungrig.
»Ja«, stimmte er zu, als er den Mund wieder frei hatte, »sie passen ständig auf.«
Sie trat zurück, und ihr Haar fiel ihr auf die Schultern. Es war länger als letztesmal. Er mochte das. Zärtlich berührte er ihre dunklen Locken. Er hatte ihr zugeredet, sie solle es noch länger wachsen lassen, bis zur Taille, aber bis jetzt hatte sie sich immer geweigert. Unmodern, schwer zu pflegen. Er steckte beide Hände in die langen dunklen Strähnen und streichelte sie. Sie sank ihm entgegen und umfaßte ihn leidenschaftlich. »Ich möchte nur wissen, ob sie den Mund halten werden«, murmelte sie.
»Wer?«
»Deine Sicherheitsclowns. Ob Henry wohl davon erfahren wird?«
Er zuckte die Achseln. »Das sind Profis. Die quasseln nicht. Sonst würden sie nicht eingestellt.« Er legte beide Hände an ihre Wangen und hob ihr Gesicht auf. »Du hast es ihm noch nicht gesagt?«
»Ich … ich habe mich entschlossen, es nicht zu tun.«
»Willst du dir weiter Geschichten ausdenken?«
Ironisch lächelnd zog sie eine Braue hoch. »Sehr viel Phantasie kostet das ja nicht. Ein Alibi alle sechs Wochen – das ist nicht schwer.«
»Da magst du recht haben. Aber …«
»Du meinst, ihm müßte eine gewisse Regelmäßigkeit auffallen?« Sie zuckte die Achseln und umfaßte ihn fester. »Eines Tages vielleicht mal. Dann müßte es zwangsläufig herauskommen. Nach – wie lange geht das jetzt schon? – über fünf Jahre. Nach so langer Zeit, in der wir immer nur ein Wochenende oder eine Nacht zusammen waren, sollte es vielleicht herauskommen.«
Carl spürte, daß es ihn kalt überlief, eine unwillkürliche Reaktion auf die drohende Störung seiner Routine oder seiner Pläne. Etwas nachdenklich küßte er ihren Hals. Doch die Wärme ihres reifen Leibes verwirrte ihn.
Einen langen Augenblick standen sie beieinander, stumme Botschaft in der Sprache der Körper austauschend, dann begann sie:
»Du sagst nichts dazu? Wie heißt es bei den Juristen? Schweigen bedeutet Zustimmung. Du meinst also, ich sollte es ihm sagen?«
Er trat zurück. »Nein.«
»Mir ist, als hätten wir uns schon mal darüber unterhalten«, sagte sie mit gequältem Lächeln und ausdrucksvoller Handbewegung. »Ungefähr jedes Jahr.«
»Du weißt doch, wie es mit mir ist, Ann.«
»O ja, das weiß ich. Und in dieser Hinsicht habe ich dich schon verstanden, als wir uns das erstemal in Atlanta wiedergesehen haben.«
»Als die alte College-Romanze endlich ihre Erfüllung fand?« Lächelnd streichelte er sie und zog sie zu der kleinen Bar. »Siehst du? Wir haben beide ein höchst aktives Erinnerungsvermögen. Scotch?«
»Aktive Phantasie«, verbesserte sie und trat ins Schlafzimmer zurück. Als Carl, zwei Drinks in der Hand, nachkam, hatte sie den Überzug zurückgeschlagen, so daß das lebhafte helle Muster sichtbar war. »Mmmm – sehr hübsch.«
Sie nahm das Glas entgegen und setzte es ohne zu trinken auf das Nachttischchen, dann zog sie die Jacke aus und warf sie auf den Stuhl über ihre Handtasche. Sie blickte ihn ernsthaft an. »Hör zu, ich will dich nicht drängen. Du hast große Dinge vor. Wenn … wenn es dir dabei eine Hilfe ist, daß ich zu dir komme … dann komme ich, das weißt du.« Sie lachte und nahm das Glas. »Aber bestimmt könntest du hunderttausend Frauen haben, die das auch täten.« Sie nippte an ihrem Drink und ging mit kleinen ziellosen Schritten auf und ab. Carl lehnte am Türrahmen. »Unser Beisammensein … alle Freude, die wir einander machen … Carl, ich … sehne mich genauso danach wie du.«
Vielleicht noch mehr, dachte er. Er lächelte matt, trank sein Glas aus und stellte es auf den Ankleidetisch. Dann legte er die beiden Kissen aufeinander und streckte sich, halb sitzend, auf dem Bett aus. »Du weißt, wie sehr ich an dir
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