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Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , William Rotsler
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geschlossenen Tür blieb er stehen und überlegte. Nein, lieber so unauffällig wie möglich. Er wandte sich um, ging ein paar Stufen hinab in die Halle und schob in der weißen Wand eine Platte zurück, der von außen nichts Besonderes anzusehen war. In der Nische dahinter befand sich ein Telefon mit winzigem Bildschirm. Er wählte die Zentrale. »Verbinden Sie mich mit Mrs. Carr, Barbara Carr, bitte. Sie muß noch im Hause sein.«
    Die Vermittlung fand sie in Sekundenschnelle. Nicht umsonst hieß es, dort säßen die besten Telefonistinnen der Welt. Einmal hatten sie in vier Stunden eine Verbindung mit Professor Canaris hergestellt, der sich grade mitten in der Wüste Gobi befand – der Präsident wünschte ihm persönlich mitzuteilen, daß er den Nobelpreis bekommen hatte –, und hatten ihm dazu ein Mikrophon aus der Luft abwerfen lassen: ein absoluter Rekord.
    »Mrs. Carr?«
    »Ja, Mr. Murray?«
    »Der Präsident bittet Sie, sofort zu ihm zu kommen, Ma’am. Er ist im kleinen Büro – dem beim Oval Office, nicht im Verwaltungsgebäude«, fügte er unnötigerweise hinzu und ärgerte sich selbst, weil er es haßte, überflüssiges Zeug zu reden.
    »Danke, Mr. Murray. Ich komme sofort.«
    Man hört ihr nichts an, dachte er. Die beiden hatten doch etwas miteinander, nicht wahr. Es wäre auch wirklich schade darum, wenn es nicht so wäre. Sie war eine hübsche Frau, und der Präsident war noch lange nicht zu alt für dergleichen, keineswegs. Aber seien Sie diskret, Mrs. Carr, sehr diskret! Auch wenn sich die Leute auf offener Straße benehmen wie die Kaninchen, seien Sie bloß vorsichtig! Wenn dieser Mist vorbei und alles wieder normal ist, wäre es nicht gut, wenn bekannt würde, daß John Caleb Knowles in der Gegend herumgebumst hat. Die sexuelle Aktivität von Präsidenten mußte irgendwann einmal publik werden. Das war immer der Fall.
    »Danke, Mrs. Carr.«
    Er legte auf. Welchen Titel hätten Sie wohl gern für Ihre Memoiren, Mrs. Carr? Knowles’ Aufstieg und Schiwas Fall vielleicht? Murray machte ein grimmiges Gesicht und rief mit einem Fingerschnippen einen der Präsidialadjutanten herbei, den er gerade kommen sah.
    »Higby!«
    »Jawohl, Sir?« Der adrette, ehrgeizige junge Mann war überrascht, daß der mächtige Murray grade auf ihn verfallen war.
    »Setzen Sie sich mit General Sutherland in Verbindung, und mit Colonel… äh… Dingsda – der, den uns die Luftwaffe gepumpt hat…?«
    »Graham, Sir?«
    »Ja, Graham. Sollen sich so bald wie möglich bei mir melden. Sutherland soll alle Notstandspläne für die Evakuierung der Zentrale mitbringen.«
    Higby leckte sich die Lippen und enteilte. Nachdenklich sah Murray hinter ihm her. Die Präsidentschaft zu schützen war sogar noch wichtiger, als den Präsidenten selbst zu schützen. Vielleicht sollte der Vizepräsident nicht noch abwarten, sondern Washington sofort verlassen. Er ging wieder ans Telefon und verlangte Sofortverbindung mit Vizepräsident Reed.
    »Der ist in Minnesota, Sir.«
    »Mir ganz egal, verbinden Sie!«
    Murray trommelte an die Wand starrte auf den grauen, leicht flimmernden Bildschirm. Befand sich Reed erst einmal in diesem Fuchsbau in Colorado, so war die Präsidentschaft gesichert. Dort konnte ihm nichts passieren. Unwillkürlich mußte er wieder an Barbara Carr denken. Vielleicht konnte er durch sie den Präsidenten zur Übersiedlung bewegen. Wenn man ihr Angst machen könnte, Angst um ihr Leben? Dann würde sie mit Freuden die Gelegenheit ergreifen, am sichersten Ort der Welt unterzukriechen. Na ja – sagen wir: einer der sichersten, schränkte er in Gedanken ein. Die Russen hatten zwei ähnliche Fuchslöcher, und die chinesische Hierarchie vermutlich auch.
    Brachte man sie nach Colorado, so käme der Präsident mit.
    Glatte sichere Sache. Sobald alles vorbei war, konnte er wieder an die Arbeit gehen. Jetzt erst merkte Murray, daß er an die Wand trommelte, und hörte sofort damit auf. Er ließ sich nicht gern etwas anmerken. Aber es waren nun einmal ungewöhnliche Zeiten. Er lächelte, doch ohne Humor. Gab es überhaupt »gewöhnliche« Zeiten?
     
    Barbara kam aus dem Protokollbüro im ersten Stock, wo sie grade die Liste der Dinnergäste durchgesehen hatte. Draußen vor den Fenstern des Nord-Portikos waren zwei helle Lichtflecken; dort nahmen die Fernsehkorrespondenten Auslandsmeldungen auf Band. Unter ihren Schuhen spürte sie den weichen, dicken, blauen Teppich der Eingangshalle. Eilig stieg sie die breite Treppe zum

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