Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Kollegin in der Filiale sprechen. Zwei Wochen später ruft er mich wieder an und erklärt, dass der Dispo erneut ausgeschöpft ist. Nun habe er an allen Filialen einen Vermerk hinterlegen lassen, dass Lena keinen Dispo mehr bekommen darf. Das entspricht nicht den Richtlinien der Bank, aber er will mir helfen. Lenas Geldverbrauch wächst weiter. Es kommen Mahnungen von Handyanbietern, Versandhäusern. Die Telekom schickt erneut Mahnungen, ebenso wie der Vermieter und der Stromanbieter. Manchmal zeigt Lena sie mir, weil sie Angst hat, dass ihr der Strom abgestellt wird. Ich schimpfe mit ihr und versuche ihr zu erklären, dass sie so nicht weitermachen kann. Aber Lena versteht nicht, weshalb ich ihr Vorhaltungen mache. Sie muss diese Dinge haben, sie muss doch einfach mit Freunden telefonieren können, das würde ich ihr doch wohl gönnen. Und sie musste diesen Handyvertrag haben, weil er so günstig war … Wenn ich Lena kritisiere, reagiert sie heftig, schreit mich an und beschimpft mich.
Es geht nicht mehr – die rechtliche Betreuung
Nach einem besonders schlimmen Ausbruch fahre ich heulend zum Büro des Verbands der Angehörigen psychisch Kranker e.V. – ApK. Ich brauche Hilfe, alleine weiß ich nicht weiter. Wie soll ich nur dieses unentwegte Geldausgeben stoppen? Lena macht sich unglücklich damit – und mich auch. Ich kann und will das nicht mehr alles bezahlen. Ich brauche dringend Rat und Trost.
Es tut mir gut, beim Verband auf einen Menschen zu treffen, den das, was mich erschüttert, nicht im Geringsten überrascht. Ja, das kenne sie, sagt Frau T., das passiere häufig in schwierigen Phasen. Das extreme Geldausgeben gehöre dazu. Es sei typisch. Dann wird Frau T. praktisch. »Jetzt machen Sie mal Folgendes. Sie gehen zum Amtsgericht in Ihrem Bezirk und beantragen eine Betreuung. Gehen Sie gleich so verheult dahin, und berichten Sie alles genau so, wie Sie es mir gerade erzählt haben. Die nehmen das auf, und dann wird Ihre Tochter brieflich benachrichtigt und muss vor Gericht erscheinen. Der Richter entscheidet dann darüber. So, wie Sie das schildern, wird er bestimmt entscheiden, dass Ihre Tochter eine finanzielle Betreuung braucht.« Es ist beruhigend, dass mir jemand sagt, was zu tun ist, dass ich nur einen Rat befolgen muss. Frau T. ist selbst Betreuerin ihrer 45-jährigen Tochter, die vor über zwanzig Jahren an Schizophrenie erkrankt ist. Aber sie rät mir dringend davon ab, die Betreuung selbst zu übernehmen, da Lena doch etwas rabiater sei als ihre Tochter. Das glaube ich Frau T. sofort. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welches Geschrei es gäbe, wenn ich Lenas Geld rationieren müsste. Dem wäre ich nicht gewachsen.
Als ich beim Gericht auftauche und berichte, was in den vergangenen Wochen vorgefallen ist, reagiert die Rechtspflegerin erstaunt. Warum Lena denn noch nicht im Krankenhaus sei? Das seien doch klare Indikationen für eine Krankenhauseinweisung. Sie guckt mich streng an. Ich sehe ihr an, dass sie nicht versteht, wie eine Mutter derartig verantwortungslos mit ihrer kranken Tochter umgehen kann.
Wie nicht anders zu erwarten, ist Lena außer sich vor Wut, als sie von meinem Antrag beim Amtsgericht erfährt. Ebenso wie ich erhält sie eine Einladung zu einem Gespräch mit einer Psychiaterin, die ein Gutachten schreiben soll. Schon der Brief führt zu einer lautstarken Auseinandersetzung am Telefon. Wir treffen uns zu dritt in einem Restaurant. Die Psychiaterin unterhält sich mit Lena, fragt nach ihrer Situation und ihrem Umgang mit Geld. Lena ist die Liebenswürdigkeit in Person. Gewandt antwortet sie auf alle Fragen, gesteht mit einem kleinen Lächeln in meine Richtung ein, dass ihr in der Vergangenheit ein paar Ausrutscher passiert seien, dass sie tatsächlich ein bisschen zu viel Geld ausgegeben habe, dass mit ihrem Konto jetzt aber alles völlig in Ordnung sei. Niemand würde nach diesen Ausführungen vermuten, dass Lena psychisch krank ist. Die Gutachterin macht sich Notizen und fragt sich vermutlich, weshalb ich wohl zum Gericht gegangen bin. Wie immer fällt es mir schwer, in Gegenwart von Lena auf die tatsächlichen Schwierigkeiten hinzuweisen. Ich bin blockiert und möchte eine Szene, zu der es unweigerlich kommen würde, vermeiden. Plötzlich steht Lena auf, um vor der Tür eine Zigarette zu rauchen. In dem Moment, als ich mit der Gutachterin allein bin, breche ich in Tränen aus. Ich kann nicht mehr. Sie ist überrascht, als ich ihr erzähle, was in den letzten Monaten
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