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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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immer den Tatsachen entspricht. Es gibt keine Wahrheit, sondern jeder erzählt aus der eigenen Perspektive das, was er für wichtig und richtig hält. Aber sollten diese unterschiedlichen Perspektiven nicht gerade für einen Psychiater wichtig sein?
    In einem Papier der Ärztekammer Berlin [1]   ist aufgelistet, worüber Ärzte nicht mit uns reden dürfen. Dort steht nicht, dass Ärzte gar nicht mit uns reden oder uns nicht zuhören dürften. Gesprächswünsche werden vehement abgewehrt, niemand fragt danach, warum und worüber wir mit Ärzten sprechen wollen.
    Ich erwarte von Lenas Arzt nicht, dass er mir berichtet, was Lena ihm erzählt hat. Ich wollte ihm nur mitteilen, wie schlecht es Lena geht, und ihn um Hilfe für sie bitten. Er müsste gar nichts zu mir sagen, nur zuhören!

Unwillige oder hilflose Helfer?
    Es gibt ein ausdifferenziertes sozialpsychiatrisches Hilfssystem, aber es dauert Jahre, bis ich verstehe, wen ich in welcher Situation ansprechen kann. Sehr viel schneller hingegen erfahre ich, wie schwierig es ist, die Hilfe zu erhalten, die ich mir und Lena wünsche. In meiner Verzweiflung über Lenas verwirrtes und selbstdestruktives Verhalten rufe ich eine telefonische Beratungsstelle an. Dort hatte mich eine verständnisvolle Gesprächspartnerin einmal getröstet und mir Hilfsangebote genannt. Dieses Mal mache ich eine andere Erfahrung. Was ich denn wolle, fragt ein Mitarbeiter kurz angebunden. Ich versuche, ihm die Situation zu erklären. Ob er jemand weiß, der helfen kann, meine Tochter ins Krankenhaus zu bringen? So ginge das nun gar nicht, sagt er streng. Man könne nicht einfach auf meinen Wunsch hin meine Tochter zwangseinweisen lassen. Das sei schließlich nicht meine Entscheidung. Zum ersten Mal höre ich dieses furchtbare Wort Zwangseinweisung. Überhaupt »Einweisung«! Wenn man einen Schlaganfall hat, dann wird man doch auch nicht eingewiesen? Oder bei einem Blinddarmdurchbruch? Dann wird man ins Krankenhaus gebracht . Vielleicht sogar gegen seinen Willen, wenn man nicht mehr bei Bewusstsein ist, oder wird dann gewartet, bis der Patient wieder selbst entscheiden kann? Könnte das dann nicht als unterlassene Hilfeleistung angesehen werden? Nur wenn ein Psychiater die Entscheidung fällen würde, fährt er fort, dass meine Tochter ins Krankenhaus müsse , und meine Tochter das nicht wolle , dann würde die Polizei geholt. Wie die Polizei denn vorgehe, wenn meine Tochter das nicht wolle, frage ich ängstlich nach. Dann würden meiner Tochter Handschellen angelegt und sie würde eben mit Gewalt ins Krankenhaus gebracht werden. Lena in Handschellen! Eine entsetzliche Vorstellung. Als ich ihm sage, dass ich das auf keinen Fall möchte, sagt er, dass ich das nicht entscheiden könne. Wenn ein Psychiater der Meinung sei, dass meine Tochter ins Krankenhaus gehöre, dann würde das auch so gemacht. Ich lege auf. Wenn das die Hilfsangebote dieser Beratungsstelle sind, dann brauche ich sie nicht. Auch bei diesen Stellen kommt es wohl darauf an, Glück zu haben und auf jemanden zu treffen, der bereit und in der Lage ist, sich auf den Hilfesuchenden einzustellen.
    Ich gebe nicht auf. Mir wird eine Einrichtung genannt, in der Psychologen und Sozialarbeiter arbeiten, die sich mit den Problemen psychisch kranker Menschen auskennen und Hilfe anbieten. Ich mache mich auf den Weg und werde zu einer freundlichen Sozialarbeiterin geführt. Geduldig hört sie sich meinen Bericht an, meint dann aber, dass sie doch nicht gleich anrücken müssten, weil ich als Mutter die Wohnung der Tochter unordentlich fände. Ich starre sie an. Lenas Ausfälle, der Zustand ihrer Wohnung, das nächtliche Geschrei, ihr Weinen, die Beschwerden der Nachbarn, die inzwischen auch den Vermieter erreicht haben – all das ist kein Grund, einzugreifen? Mittlerweile kenne ich diesen Blick von Fachleuten, wenn Mütter besorgt über ihre psychisch kranken Kinder sprechen. Immer diese Mütter, sagt der Blick. Es kann nicht schön sein für die Kinder, immer so kontrolliert zu werden. »Overprotective – überbehütend« nennt man diese Mütter.
    Meine Sorge gilt nicht Lenas Unordnung, ich habe Angst, dass meine Tochter nicht rechtzeitig und gut behandelt wird. Es geht nicht darum, dass ihre Wohnung »etwas unordentlich« ist. Ich bitte die Sozialarbeiterin, doch wenigstens einmal bei Lena vorbeizugehen. »Sie sind doch vom Fach, Sie können doch dann beurteilen, ob Lena psychiatrische Hilfe benötigt oder nicht!«, versuche ich die Dame

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