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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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Krankenhausaufenthalte viel kürzer waren, sind sinnlos. Immer wieder kommt sie auf die Jugendpsychiatrie zurück. Drohend baut sie sich vor mir auf. »Ich gehe nie wieder ins Krankenhaus. Hau einfach ab. Gib mir lieber Geld, ich habe überhaupt nichts mehr zu essen. Und auch keinen Tabak mehr. Du kannst dir ja kaufen, was du willst, aber ich muss schon Zigaretten drehen, nur weil du mir kein Geld geben willst.«
    »Aber Lena«, versuche ich es noch einmal, »du musst doch nicht ins Krankenhaus. Ich denke nur, dass es gut für dich wäre, wenn du mit einem Arzt dort sprechen könntest.«
    »Nein!« Inzwischen ist ihr Schreien sicher im ganzen Haus zu hören. »Ich habe dir gesagt, ich gehe nicht, und dann gehe ich auch nicht. Du willst mich nur in die Klapse …« Ich gebe auf und ziehe zwanzig Euro aus dem Portemonnaie. Ich will nur noch weg. Mir kommen die Tränen, wie schon so oft. »Ja, heul du nur, das kenne ich ja von dir. Immer heulen, damit man Mitleid mit dir kriegt. Geh bloß.« Ich laufe aus der Tür und knalle sie hinter mir zu. Was soll ich tun? Ich weine mich bei meiner Therapeutin aus, und sie hilft mir, besser mit meiner Unruhe umzugehen. Allerdings ist auch sie der Meinung, dass Lena dringend ins Krankenhaus müsse. Aber sie weiß ebenso wenig wie ich, wie wir Lena ins Krankenhaus bringen können.
    Lena selbst teilt unsere Sorgen nicht. Im Gegenteil, sie ist voller Tatendrang und Energie. »Nun gib mir endlich mal Geld«, schreit sie mir immer wieder auf meinen Anrufbeantworter. »Du bist wirklich das Letzte. Ich hätte gerne einmal im Leben eine Mutter gehabt, die ein Mal etwas für mich tut. Was ist das für eine Mutter, die ihre Tochter verhungern lässt!« Der Hörer wird knallend aufgelegt. Vor Angst, wieder angebrüllt zu werden, gehe ich nicht mehr ans Telefon.
    Heute weiß ich, dass dieses Verhalten nicht einem »unersättlichen« Charakter geschuldet ist, sondern der Manie. In einer Manie ist ein Mensch ausschließlich auf sich selbst konzentriert, jegliche Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und Grenzen einzuhalten, geht verloren. Damals empfinde ich meine für gewöhnlich freundliche und ruhige Lena als kalt und bösartig. Ich habe keine Ahnung, dass die Manie auch diese feindseligen Ausdrucksformen hervorrufen kann. Ich befürchte allmählich, dass sich Lenas Persönlichkeit durch ihre Erkrankung negativ verändert hat. Lenas manische Phase dauert ungewöhnlich lange. Sie meldet sich wochenlang nicht bei mir. Auch ich vermeide es, sie anzurufen, aus Angst vor noch mehr Ausbrüchen und Beschimpfungen, kann aber vor Sorge kaum schlafen. Dennoch befolge ich den Rat meiner Therapeutin und suche nach einigen Wochen regelmäßig Kontakt zu Lena. Sie soll trotz allem das Gefühl haben, dass jemand für sie da ist. Wenn Lena selbst anruft, sitze ich minutenlang vor dem klingelnden Telefon, bis ich den Mut habe, abzuheben und mich einer erneuten Konfrontation auszusetzen. Lena ruft an, weil sie Geld will. Oder weil sie ein Ventil für ihre Wut braucht. Die Betreuerin habe sich etwas Unerhörtes erlaubt, sie belüge und betrüge Lena. Das glaubt Lena in diesen Phasen wirklich. Ihre rechtliche Betreuerin ist eine gewissenhafte und gelassene Frau, die von Lena viel an Aggression einstecken muss. Aber es hat keinen Zweck, mit Lena darüber zu diskutieren. Oft schaffe ich es inzwischen auch, das Telefon einfach klingeln zu lassen. Es kommt vor, dass sie keine Stunde später an meine Wohnungstür hämmert. »Lass mich rein«, ruft sie. »Ich brauche etwas zu essen.« Natürlich gebe ich nach. Eines Abends komme ich nach Hause und die Wohnungstür ist offen. Lena ist nicht mehr da, hat aber aus dem Kühlschrank zusammengerafft, was sie tragen konnte. Reste ihrer »Beute« liegen aufgerissen und verstreut auf dem Boden. Im Schlafzimmer haben sich meine beiden verstörten Kater in eine Ecke verkrochen. Immerhin sind sie nicht aus der Wohnung geflüchtet. Im Arbeitszimmer sind Schubladen aufgerissen und auf dem Boden sind Papiere verstreut.
    In gesunden Zeiten ist Lena ein zuverlässiger und aufrichtiger, ja ernster Mensch. Sie würde immer fragen, bevor sie etwas aus meiner Wohnung nimmt. Sie ist absolut liebevoll zu den Katzen – von ihr lassen sie sich in die Arme nehmen und fangen, ich schaffe das oft nicht. Aber die Krankheit macht aus Lena einen anderen Menschen. Nach dieser Episode lasse ich an meiner Wohnungstür das Schloss austauschen. Als Lena das nächste Mal bei mir

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