Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
Vom Netzwerk:
zu gewinnen. Nein, das werde sie nicht tun. Aber sie wird Lena einen Brief schreiben und ihr einen Termin vorschlagen. Ich kann es nicht glauben. Einen Brief mit Terminvorschlag? Ich sage ihr, dass Lena ihren Briefkasten nicht mehr leert und keine Briefe liest. Sie schaut mich nachsichtig an und bittet mich darum, doch ein wenig Vertrauen in meine Tochter zu haben. Ich solle nicht immer alles für sie regeln wollen. Wenn sie nicht zum Termin käme, würden sie vierzehn Tage warten und dann noch einen Brief schreiben. Mit schriftlichen Einladungen haben sie gute Erfahrungen gemacht. Ich gebe auf. Hier ist keine Hilfe zu erwarten.
    Mir wird erklärt, dass die Mitarbeiter dieser Einrichtung nicht kommen können , dass es an der Überlastung liege, dass es an Geld und Personal fehle. Und dass ich das verstehen müsse. Das mag richtig sein. Aber wenn ich Lena krank, durcheinander, verwahrlost und tobend sehe, dann kann und will ich das nicht verstehen. Ich will Hilfe für Lena. Jetzt. Und ich möchte in so einer Einrichtung Gesprächspartner vorfinden, die Verständnis und ein wenig Einfühlungsvermögen für besorgte Mütter haben. Vielleicht war nur meine Erfahrung so negativ. Ich habe gehört, dass anderen Angehörigen von genau diesen Einrichtungen geholfen wurde. Wie dem auch sei: Ich will nicht mehr für alles Verständnis aufbringen müssen. Ich muss und will meine Tochter verstehen, ich soll die Ärzte verstehen, die Therapeuten und das überlastete Pflegepersonal in Kliniken. Aber die Mitarbeiter dieser Hilfseinrichtungen will ich in diesem Moment nicht auch noch verstehen müssen. Ich will, dass sie mich verstehen. Ich will, dass sie meine Tochter verstehen.

Das Recht auf Krankheit
    Es folgt ein hartes Jahr. Schlimm für Lena, nervenaufreibend für mich und unerträglich für die Nachbarn. Lena ist jetzt 28 Jahre alt. Natürlich ist sie erwachsen, aber sie ist auch krank. Und sie hat eine Krankheit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Gedanken, Emotionen, der Wille krank sind. Lena schreit das ganze Haus zusammen und weint ganze Nächte lang. Sie reißt Bilder von den Wänden, weil sie dahinter Kameras vermutet, sie dreht ihre Musik so laut auf, dass die Nachbarn keine Ruhe finden. Sie schreit Menschen im Flur an oder sitzt vor ihrer Tür auf dem Boden, umgeben vom umgekippten Inhalt ihrer Tasche, Zigarettenasche, halbleeren Colaflaschen, und redet laut vor sich hin. Sie schreit mich am Telefon an, weil sie Geld will. Den Schlüssel zu ihrer Wohnung hat sie einem »Kumpel« gegeben, den sie im Park kennengelernt hat, und der Kumpel ist nun nicht mehr aufzutreiben. Die Nachbarn werden wütend, was ich trotz des Mitgefühls mit meiner Tochter verstehen kann. Sie rufen die Polizei, die aber nach dem dritten Anruf nicht mehr anrückt und stattdessen vorschlägt, eine Einrichtung für psychisch Kranke einzuschalten. Aber von dort kommt niemand, sie seien nicht zuständig. Lenas Psychiater kann nichts tun, denn eine durch ihn veranlasste Zwangseinweisung wird das Gericht nur bestätigen, wenn Lena ihr eigenes Leben oder das anderer Menschen gefährdet. Praktisch heißt das wohl, sie kann nur zwangseingewiesen werden, wenn sie mich mit dem Messer bedroht oder selbst bereits ein Bein über ihre Balkonbrüstung in der siebten Etage geschwungen hat. Ich bin der Meinung, dass man schon viel früher von einer Gefährdung des Lebens sprechen müsste. Aber darauf kommt es nicht an. Es gibt ein Recht auf Krankheit, wie ich voller Staunen bei einer Konferenz erfahre.

    Niemand darf eingreifen, wenn sie keine Therapie macht und nicht zu ihrem Therapeuten oder ihrem Psychiater geht. Sie muss es nicht, sie hat ein Recht auf Krankheit. Es geht niemanden etwas an, ob sie sich entscheidet, weiterhin krank zu sein, oder ob sie für sich entscheidet, keine Hilfe zu brauchen, weil sie gar nicht krank ist. Niemand kann sie zur Gesundheit zwingen . Auch für mich als Mutter gibt es keine Möglichkeit, etwas für meine Tochter zu tun. Sie ist erwachsen. Ich bin auch nicht dafür, kranke Menschen zu etwas zu zwingen, aber es gibt niemanden, der auch nur versucht , Lena zu helfen und sie zu bewegen, Hilfe anzunehmen. Wo bleibt das Recht auf Gesundheit?
    Ein psychisch kranker Mensch, der nicht selbst aktiv Hilfe sucht oder suchen kann, bleibt möglicherweise allein und krank in seiner Wohnung, ohne dass es im System auffällt oder dass irgendjemand dafür zuständig wäre. Was ich auch erfahren habe, ist, dass die letzte Instanz dann doch

Weitere Kostenlose Bücher