Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Krankheit Schizophrenie ist. Ich glaube auch nicht, dass es verboten ist, den Angehörigen relevante Literatur zu empfehlen oder ihnen eine Liste mit Verbänden und Hilfsangeboten zu überreichen. Und schon gar niemand verbietet einem Arzt, freundliche und tröstende Worte an geschockte Angehörige zu richten und darauf hinzuweisen, dass es heute gute Therapiemöglichkeiten gibt, dass ein Mensch trotz seiner Schizophrenieerkrankung ein gutes Leben führen kann. Nirgendwo steht, dass es unzulässig ist, wenn ein Arzt uns Angehörigen empfiehlt, selbst therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil eine schwere Zeit auf uns zukommt. Wenn es solche Gespräche gäbe, würden wir auch schneller verstehen, warum der Arzt unseres Kindes nicht gleichzeitig unser Arzt sein kann. Wir können vieles verstehen, wenn mit uns geredet und uns Verständnis entgegengebracht wird.
Es scheint unstrittig, dass uns Angehörigen eine wichtige Rolle bei der Genesung oder »Recovery« zukommt. Nicht unsere Wunschvorstellungen, sondern Untersuchungen belegen, dass die Einbeziehung von Angehörigen in die Therapie entscheidend für einen positiven Verlauf der Erkrankung sein kann. Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, dass ich oft monatelang der einzige Mensch war, der Lenas totale Vereinsamung verhinderte. Ich habe sie ermutigt, immer wieder Hilfe angeboten, finanziell und emotional gestützt. Oft habe ich sie auch genervt, aber ich war da. Und ich bin keineswegs die Einzige – dies ist der Alltag vieler Mütter und Väter oder auch Partner von psychisch Kranken.
Mir wurde in den letzten Jahren von Ärzten oft gesagt, dass die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Angehörigen doch schon viel besser geworden sei. Besser ja, viel nein. Zumindest nicht flächendeckend. Immer noch sprechen viele Klinikärzte oder niedergelassene Ärzte kaum mit Eltern und Partnern. Wenn Patienten nicht wollen, dass Ärzte oder Therapeuten mit ihren Angehörigen reden, dann muss das selbstverständlich berücksichtigt werden. Aber es gibt auch Therapeuten, Sozialarbeiter und Psychiater, denen es mit Umsicht gelingt, ihre Patienten davon zu überzeugen, dass ein gemeinsames Gespräch mit den Angehörigen auch ihnen helfen kann. Wenn Ärzte Bedenken haben, dass wir Angehörige zu emotional, zu überbehütend oder zu aufgeregt sein könnten, dann sollten sie mit uns ein Gespräch darüber führen, welche Verhaltensweisen unseren kranken Kindern gegenüber zu vermeiden sind. Wir wollen es wissen, denn wir möchten alles richtig machen. Mir ist bewusst, dass es oft an Ressourcen fehlt. Aber wenn Ärzte uns mehr als Kooperationspartner begreifen würden und nicht als lästige Begleiterscheinung ihres Behandlungsauftrags, dann wären wir die Ersten, die mit ihnen für eine bessere Ausstattung kämpfen würden. Es gibt sie, die verständnisvollen und engagierten Ärzte – auch uns Angehörigen gegenüber. Lena und ich haben von ihnen profitiert. Aber es ist nicht einfach, sie zu finden.
Einschränkungen meiner Lebensqualität
Für mich gab es Phasen, in denen ich neben meiner Berufstätigkeit kaum einen Abend oder gar ein Wochenende für mich hatte. Besuche im Krankenhaus, die Nachsorge in Lenas Wohnung, Lenas Forderungen und vor allem die vielen Anrufe, in denen sie mir einen Kummer erzählen musste, haben mich zeitlich, kräftemäßig und emotional unendlich beansprucht. Lange hatte sie kaum Freundinnen und war viel allein. Sonntags brachte ich es dann nicht übers Herz, sie alleinzulassen, sondern habe ihr einen Ausflug, einen Kinobesuch oder ein gemeinsames Essen vorgeschlagen. Es gab Zeiten, in denen ich nach solchen Ausflügen heulend vor Müdigkeit nach Hause kam, weil ich wusste, dass am nächsten Morgen schon wieder die Arbeit auf mich wartete und ich keinen Moment der Entspannung gehabt hatte. Ebenso kräftezehrend kann der totale Rückzug des erkrankten Kindes sein. Wie bei vielen anderen Angehörigen auch, hat sich die Belastung durch die Erkrankung meiner Tochter auch auf meinen Gesundheitszustand ausgewirkt.
Auch finanziell fordert ein psychisch krankes Kind viel von uns. »Wenn ich alles zusammenrechne, dann habe ich für meinen Sohn in den vielen Jahren eine 3-Zimmer-Wohnung in einer guten Gegend von T. ausgegeben!«, sagt eine engagierte Angehörige zu mir. Wir beide lachten, obwohl uns nicht nach Lachen zumute war. Über lange Zeiträume hinweg, manchmal jahrzehntelang, müssen wir Angehörigen unseren Kindern mit Geld aushelfen. Viele
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