Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Eltern gehen vorzeitig in Rente, um ausreichend Zeit für ihre kranken Kinder zu haben, was meist auch mit finanziellen Einbußen verbunden ist. Wenn in manischen Phasen noch ein verschwenderischer Umgang mit Geld hinzukommt, kann die finanzielle Belastung für Eltern extrem werden. Mir wurde oft gesagt, ich müsse konsequent bleiben und dürfe Lenas unkontrolliertes Geldausgeben nicht fördern. Ich solle ihren Zigarettenkonsum oder den Besuch von Cafés, in denen sie unbedingt eisgekühlten Kaffee trinken müsse, nicht auch noch unterstützen. Sie müsse lernen, mit ihrem Geld umzugehen. Sie muss es lernen, das ist richtig. Das wäre vernünftig. Aber in manischen Phasen kann sie es nicht lernen. Und ich kann nicht zusehen, wie mein Kind sich quält. Ich kann dann nicht vernünftig sein. Ich bin ihre Mutter. Die Kranken können in diesen Phasen nicht anders und ihre Eltern auch nicht.
Viele Mütter sind mit ihren psychisch kranken Kindern allein. Ich war erstaunt, festzustellen, dass es auch im Verband der Angehörigen und bei Angehörigengruppen vor allem die Mütter sind, die sich engagieren oder mit ihren Fragen und Sorgen zu den Gesprächen kommen. Bei vielen Eltern kranker Kinder kommt es zu Trennungen, und die Fürsorge für die Kinder bleibt bei den Müttern. Sind Väter weniger bereit, ihren psychisch kranken Kindern beizustehen? Ein psychisch krankes Kind ist für jede Familie eine Zerreißprobe. Viele Eltern haben unterschiedliche Auffassungen von Erziehung. Vielleicht werden die Spannungen zwischen Eltern unerträglich, wenn es um Kinder geht, deren krankheitsbedingte Verhaltensweisen schwer erträglich sind. Manchmal neigen Mütter auch bei somatischen Erkrankungen dazu, das kranke Kind zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen. Das kann für einen Lebenspartner und weitere Kinder schwierig werden. Halten es Väter nicht aus, wenn ihre Partnerin sich nur noch um das Kind kümmert? Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass die wenigen männlichen Angehörigen, die ich kennengelernt habe, mit ihrem erkrankten Kind pragmatischer umgehen. Sie fordern mehr und lassen nicht alles durchgehen. Sie leiden nicht nur, sondern machen praktische Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Vielleicht können Männer sich auch besser abgrenzen, auch von einem psychisch kranken Kind. Damit schützen sie sich auch besser vor den Folgen der Dauerbelastung. Ob dieser unterschiedliche Umgang auch ein Grund dafür ist, dass viele Mütter allein für ihre psychisch kranken Kinder sorgen? Kann es sein, dass Mütter sich allein zuständig fühlen und den Vätern keinen Raum geben, ihre Vorstellungen über den Umgang mit dem Kind zu realisieren?
Ich weiß von mir selbst, dass jede Kritik an meinem Engagement und meinem Verhalten gegenüber Lena nur schwer für mich zu ertragen ist. Leider. Wenn diese Kritik von einem Menschen käme, den ich liebe – ich weiß nicht, ob ich damit umgehen könnte. Auf der anderen Seite fehlt uns Müttern dann oft eine emotionale Unterstützung, die uns hilft, mit unserem Schicksal besser umzugehen. Wenn Eltern gemeinsam für ihr Kind sorgen, dann sollten sie auch darauf achten, dass sie ihre anderen Kinder und ihre Beziehung(en) nicht vernachlässigen. Mit meiner Erfahrung von sechzehn Jahren würde ich heute von Beginn an darauf achten, soziale Kontakte weiter zu pflegen, auch wenn es in manchen Zeiten schwerfällt. Ich würde mich auch mehr um mich selbst kümmern und Dinge tun, die mir Freude machen.
Perfekte Kinder und gedankenlose Ratschläge
»Hört endlich auf, mit euren perfekten Kindern anzugeben!«, fordern laut und unterhaltsam die italo-amerikanischen Schwestern Gina Gallagher und Patricia Konjoian in ihrem Überlebenshandbuch für Eltern mit besonderen Kindern Shut Up About Your Perfect Kid . Beide haben Kinder mit einer psychischen Erkrankung. Sie sprechen mir aus dem Herzen. Wie oft sitze ich gequält neben stolzen Eltern, die von den unglaublichen Erfolgen ihrer Kinder berichten. Gute Noten, Studium an den besten Universitäten, hohes Einkommen, zauberhafte Partner und Reisen nach Südamerika. Selbstverständlich lassen die Eltern ihre Umgebung damit auch wissen, dass sie selbst perfekte Eltern sind. Mir wird bei solchen Gesprächen schmerzhaft deutlich, wie sehr es vielen in unserer Gesellschaft darauf ankommt, ein perfektes Leben mit perfekten Kindern, perfekten Karrieren und natürlich perfekten Liebesbeziehungen zu führen. Ich glaube nicht, dass Menschen perfekt sein
Weitere Kostenlose Bücher