Schlachtfeld der Verfluchten
jemand aus dem Haus hier in den Komplex hineinfuhr und dann auf diese Person traf, wurde mir schon anders.
Zu sehen war sie nicht. Auch nicht zu hören. An meine Ohren drang kein fremdes Geräusch. Um mich herum breitete sich weiterhin die Grabesstille aus. Die Amazone gab keinen Laut von sich.
Ich hatte keine Lust, zu warten. Möglicherweise lauerte sie darauf, mich nervlich kleinzukriegen. Da hatte sie gute Chancen, denn Stunden wollte ich hier nicht verbringen. Ich musste versuchen, die Kämpferin aus der Reserve zu locken.
Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Hilfe wollte ich nicht holen. Ich hätte über Handy Shao anrufen können, doch ich wollte nicht, dass sie sich in Gefahr begab. Als Phantom aus dem Jenseits war Shao eine perfekte Kämpferin, die von ihrer Armbrust ebenfalls treffsicher die Pfeile abschoss, aber in ihrer zweiten Gestalt würde Shao wohl nicht hier erscheinen.
Zu sehen war die Amazone nicht. Es wanderte auch kein Schatten über den schmutzigen Boden. Die wenigen Lampen gaben ein trübes Licht ab, als würden sie sich schämen, überhaupt zu leuchten. Viele Parktaschen waren um diese Zeit nicht besetzt, aber die Mörderin hätte ebenso hinter einem der Pfeiler Deckung finden können.
Mit schnellen Schritten lief ich auf den Pfeiler zu, der mir am nächsten stand. Drei, vier Meter lief ich deckungslos, und man hätte auf mich schießen können, was nicht passierte. Unbeschadet erreichte ich den Pfeiler und wartete ab.
Kein Geräusch störte die Ruhe. Kein Schatten wanderte umher. Die Garage schien verlassen zu sein, und ich überlegte, welchen Teil die Amazone wohl beobachtete.
Wahrscheinlich die Lifttür.
Und die öffnete sich plötzlich.
Ich erschrak. Auch, weil ich etwas hörte, mit dem ich ganz und gar nicht hier gerechnet hatte.
Kinderstimmen!
Mein Herz schlug schneller. Ich peilte um den Pfosten und sah eine Frau, die zwei Kinder an ihren Händen führte.
Ihre hellen Stimmen hallten durch die Garage. Sie versuchten sich gegenseitig zu überschreien. Die Frau kam nicht dagegen an und schaffte es auch nicht, die Kinder festzuhalten, denn beide rissen sich plötzlich los.
Im Normalfall wäre das kein Problem gewesen, aber diese Garage war ein gefährliches Gebiet. Nur konnten das die Frau und die Kinder nicht wissen.
Die Mutter schimpfte. Sie rief die Namen der beiden. Aber die Jungen gehorchten nicht. Sie wirkten wie losgelassen. Der kleinere von ihnen rannte auf einen alten Benz zu, der zu den längsten Fahrzeugen gehörte.
»Fang mich doch!«, schrie er seinem älteren Bruder zu und war plötzlich hinter dem Daimler verschwunden.
»Daniel!«, schrie die Frau. »Komm sofort zurück. Komm her. Los, her zu mir!«
Der zweite Junge stand unschlüssig vor seiner Mutter. »Soll ich ihn holen?«
»Fang mich doch!«
Dieser Bursche dachte gar nicht daran, seiner Mutter zu gehorchen. Für ihn war alles ein Spaß.
Die Frau, die ich vom flüchtigen Sehen kannte, schüttelte den Kopf und ergriff die Hand des älteren Jungen. »Komm, Simon, dann fahren wir eben ohne Daniel.«
»Echt?«
»Ja.«
Die Frau machte ernst. Sie ging genau auf den Van zu, hinter dem ich zuerst meine Deckung gefunden hatte. Sie drehte sich nicht einmal um, was ihr sicherlich schwer fiel. Nur der Junge an ihrer linken Hand drehte den Kopf, um zu sehen, wie sein Bruder reagierte. Der dachte gar nicht daran, sich zu zeigen, und das machte mich als Beobachter unruhig.
An der Fahrerseite des Vans blieben Mutter und Sohn stehen. Die Frau hatte den Wagen bereits durch die Fernbedienung geöffnet. Sie zog eine der hinteren Türen auf und ließ ihren Sohn einsteigen.
»Anschnallen kann ich mich allein, Mum.«
»Tu das. Ich schaue dann nach.«
Die Frau selbst stieg nicht ein. Sie blieb am Wagen stehen und drehte sich jetzt um, sodass sie in die Tiefgarage hineinschauen konnte. Beide Arme winkelte sie an und stemmte die Hände in die Hüften.
»Daniel, jetzt komm endlich! Das ist kein Spaß mehr. Hast du verstanden?«
Der Kleine gab keine Antwort. Genau das machte mich stutzig und ließ ein ungutes Gefühl in mir hochsteigen. Ich war zwar kein Pädagoge, doch in diesem Fall war es leicht, sich in die Reaktionen eines Kindes hineinzuversetzen. Normalerweise hätte der Kleine jetzt gelacht und seine Mutter aufgefordert, ihn zu suchen. Das tat er nicht, und die böse Ahnung in mir steigerte sich weiter.
Simon blieb im Van sitzen. Er verhielt sich zum Glück ruhig. So konnte sich die Frau auf ihren
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