Schlachtfeld der Verfluchten
Fluss schauen konnten.
Leider hatten wir keine Zeit, das Panorama besser in Augenschein zu nehmen. Wir konzentrierten uns auf den Weißhaarigen und seine Begleiterin, die auf eines der etwas größeren Lokale zusteuerten und von außen her die Terrasse betraten.
Freie Plätze gab es genug. Beide setzten sich nahe der Brüstung. Als sie sich niederließen, schaute sich Karina sehr plötzlich um. Sie entdeckte uns nicht, da wir noch in Deckung einer hohen Topfpflanze standen.
Es war ein Lokal, das von jüngeren Leuten frequentiert wurde. Da waren Tische zusammengeschoben worden, sodass die ganze Clique zusammensitzen konnte.
Sie tranken, aßen, hatten ihren Spaß, und auch wir fanden zwei Plätze. Allerdings nicht mit dem perfekten Blick auf den Fluss, was wir auch nicht wollten, denn für uns war es wichtiger, Karina und den Weißhaarigen im Auge zu behalten.
Der Kellner trat an unseren Tisch. Er sah sofort, dass wir Ausländer waren, und sprach uns erst gar nicht auf Russisch an.
»Karte?«
»Ja.«
»Ich bringe sie.«
Suko machte große Augen. »Der hat ja Deutsch gesprochen.«
»Bingo.«
»Warum? Sehen wir so deutsch aus?«
Ich lachte und sagte: »Du bestimmt nicht. Aber gerade hier an der Wolga leben viele Deutsche, die natürlich jetzt Russen sind. Die Vorfahren kamen vor langer Zeit aus Deutschland her, und man hat die Heimatsprache immer gepflegt.«
»Verstehe.«
Zwei Karten wurden uns gebracht. Mit der kyrillischen Schrift hatte ich meine Probleme, deshalb schlug ich die Karte erst gar nicht auf und fragte: »Was können Sie denn empfehlen?«
Der Kellner freute sich, auf Deutsch angesprochen zu werden. Hatte er wohl richtig getippt. Ich ließ ihn in dem Glauben.
»Fisch.«
»Gut. Welchen?«
»Wolgahecht. Sehr lecker. Mit einer grünen Soße. Sehr frisch. Kann ich nur empfehlen.«
»Klar, dann nehmen wir den Hecht. Oder?« Ich schaute Suko an, der heftig nickte.
»Alles klar«, sagte ich, und der Kellner zog zufrieden von dannen. Trotzdem kehrte er wieder zurück, denn er hatte vergessen, nach den Getränken zu fragen.
Viele Gäste tranken Alkohol. Wodka vor allen Dingen, aus hohen Gläsern. Darauf verzichteten wir, denn es war wichtig für uns, nüchtern zu bleiben. So entschieden wir uns für Wasser, das in einer Karaffe gebracht wurde, allerdings von einem jungen Mädchen mit rötlichen Locken.
Auch Karina und ihr Gast hatten bestellt. Zumindest Getränke. Karina blieb beim Wasser. Nicht so der Weißhaarige. Er hatte sich für Wodka entschieden, und das erste Glas leerte er auf einen Zug.
Wir saßen an einer windgeschützten Stelle. Andere Gäste hatten es nicht so gut. Da wurden manche Jackenkragen hochgestellt oder mitgebrachte Pullover angezogen. Auch hierher schickte der Herbst seine ersten Vorboten.
Irgendwie schmeckte das Wasser nach nichts. Egal, wir waren nicht zum Vergnügen hier, wie auch Karina Grischin. Sie hörte ihrem Gast sehr genau zu, der intensiv auf sie einredete und mit seinen Händen gestikulierte.
»Scheint wichtig zu sein«, bemerkte Suko.
»Ja, bei Karina muss man davon ausgehen. Wenn uns das weiterbringt, ist das schon okay. Der Typ sieht ja auch aus, als würde er direkt aus der Steppe kommen. Einer, der sein Gesicht in den Wind hält, als könnte er mit ihm reden.«
»Du hältst ja viel von ihm, John.«
»Klar. Weil ich Karina kenne, und weil ich auch weiß, dass es solche Menschen gibt.«
Der Fisch wurde gebracht. Unser Kellner trug die beiden Teller auf zwei Armen verteilt. Er strahlte über das ganze Gesicht, als hätte er das Gericht persönlich zubereitet. Wir bekamen die beiden Teller hingestellt und gesagt, wie zart der Fisch sei und wie gut die grüne Soße schmecke.
Die sahen wir zwar, aber sie verdeckte auch den Fisch. Als Beilage gab es für jeden zwei Kartoffeln, die nicht von ihrer Haut befreit worden waren.
Das Besteck lag auch bereit, wir wünschten uns gegenseitig einen Guten Appetit und fingen an zu essen.
Ich hatte mich nicht auf die Vorschusslorbeeren des Kellners verlassen, doch nach dem ersten Bissen merkte ich bereits, dass er nicht gelogen hatte.
Der Fisch war zart, er war ausgezeichnet, und die Soße sah nur so aus, als würde sie den gesamten Eigengeschmack zerschlagen. Es war in der Tat ein Genuss. Wenn wir nicht an die Amazonen hätten denken müssen, wäre es ein idealer Urlaubsabend gewesen.
Neben der Terrasse wälzte sich der Fluss durch sein Bett. Ein träger Strom, schwerblütig wie die Gesänge seiner Schiffer. Die
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