Schlachtfeld der Verfluchten
Boote fuhren jetzt allesamt mit Beleuchtung, und deren Lichter fanden sich als zuckende Reflexe auf der Oberfläche wieder.
Auch Suko war zufrieden, das sah ich seinem Gesicht an, und da wir zu Karina hinschauen konnten, stellten wir fest, dass auch an ihrem Tisch gegessen wurde.
Die Dunkelheit hatte längst ihr Tuch über das Land gebreitet. Überall in der Stadt brannten die Laternen. Von der grauen Tristesse des Alltags war hier nichts mehr zu spüren.
Beide leerten wir die Teller, was unser netter Kellner gesehen hatte, denn er kam zu uns.
»Einen Wodka?«
Suko schüttelte den Kopf, doch ich wurde mal wieder schwach. »Aber nur halb.« Ich deutete mit Daumen und Zeigefinger an, welche Menge ich meinte.
»Ja, gern.«
Suko grinste mich von der Seite her an. »Dir geht es richtig gut, nicht wahr?«
»Kann ich nicht widersprechen. Außerdem – man gönnt sich ja sonst nichts.«
»Ha, ha, ausgerechnet du.«
Ich zuckte mit den Achseln. Ich war satt, ich fühlte mich wohl, wenn nur nicht die verdammten Amazonen gewesen wären, die es leider nicht als Spuk gab, sondern in der Wirklichkeit, und die so verdammt brutal und abgeklärt waren.
Wenn ich an die dachte, bekam ich leichtes Magendrücken. Da würde der Wodka gut tun, den mir unser netter Kellner servierte. Er hatte doch ein wenig mehr eingeschenkt und fragte jetzt: »Ist es gut so?«
Ich musste lachen. »Schon okay.«
»Dann Prost! So sagt man doch in Deutschland.«
»Richtig.«
Sollte er weiterhin glauben, dass wir aus dem Land kamen, es machte mir nichts aus.
Ich griff zum Glas, schnupperte erst, setzte es dann an und kippte den Wodka in die Kehle.
Danach schnappte ich nach Luft. Dieser Wodka war nicht mit dem zu vergleichen, den ich aus London her kannte.
»Langsam, langsam«, sagte Suko, »Du bist ja wirklich unersättlich, Alter.«
Ich trank den zweiten Schluck. Das klappte schon besser. Außerdem breitete sich ein schon recht gutes Gefühl in meinem Magen aus, und als ich das Glas leer getrunken hatte, da ging es mir gut.
Suko nuckelte an seinem Wasser, was ihm allerdings keinen Spaß machte, das entnahm ich seinem Gesichtsausdruck.
Wir konzentrierten uns wieder auf Karina Grischin und ihren weißhaarigen Begleiter. Sie hatten gegessen. Karina mehr als der Mann. Dafür hatte er mehr dem Wodka zugesprochen, und er saß auch nicht mehr so ruhig auf seinem Platz. Einen Grund für seine Nervosität fanden wir nicht, aber er rutschte unentwegt auf seinem Stuhl von einer Seite zur anderen und schaute sich um.
»Der spürt was«, sagte Suko.
»Die Amazonen?«
»Kann sein. Lass uns lieber mal zahlen.«
»Gut.«
Ich winkte dem Kellner, der zu uns kam und sich darüber freute, dass wir in Euro zahlten. Auch wenn sich die Währung bei uns auf der Insel noch nicht durchgesetzt hatte, eine gewisse Summe hatte ich immer parat.
»Gut geschmeckt, wirklich?«
»Klasse«, erwiderte ich nur.
Der Kellner strahlte über dieses Lob. Möglicherweise auch über die Höhe des Trinkgelds, aber das war mir egal.
Eine Stunde etwa hatten wir hier gesessen. Von irgendwoher wehten Musikfetzen an unsere Ohren. Es war eine schwermütige russische Melodie, die aber zu dieser Flussstimmung passte. Bei dem Wetter konnte man noch länger auf der Terrasse sitzen und sich der Dunkelheit der Nacht hingeben, aber irgendwie spürte ich ein leichtes Kribbeln in mir.
Karina war ebenfalls fertig. Auch sie winkte der Bedienung, um zu zahlen. Ob sie zufrieden war, konnten wir nicht herausfinden. Da würden wir sie am Abend in der Bar fragen.
Beide standen auf. Der Weißhaarige nicht so locker wie Karina. Er hatte dem Wodka zu stark zugesprochen und musste sich am Tisch abstützen. Wenn die beiden gingen, dann würden sie unseren Tisch passieren, und deshalb mussten wir uns verdrücken.
So weit war es noch nicht. Der Weißhaarige musste sich erst mal sammeln. Karina kümmerte sich um ihn. Sie hielt ihn auch fest und konnte sich deshalb nicht drehen.
Wir schlichen auf die offene Tür zu. Dahinter lag das Restaurant. Es würde uns eine bessere Deckung geben. Wir hätten zwar auch den alten Weg nehmen können und wären dann die Stufen der Treppe hinabgegangen, aber das wollten wir den beiden anderen überlassen.
Karina hatte sich bei dem Weißhaarigen eingehakt. Sollte er stolpern, konnte sie ihn halten. Er war sowieso etwas außer Kontrolle, winkte mit dem freien Arm irgendwelchen Gästen zu, sprach und sang zugleich, während sich sein faltiges Gesicht zu einem breiten
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