Schlachthof 5
Landstreicher zusammen, und er schlief ein und reiste zeitlich wieder in das Jahr 1967 — zu der Nacht, als er von einer fliegenden Untertasse nach Tralfamadore entführt wurde.
4
Billy Pilgrim konnte in der Hochzeitsnacht seiner Tochter keinen Schlaf finden. Er war vierundvierzig. Die Hochzeit hatte an diesem Nachmittag in einem lustig gestreiften Zelt in Billys Hinterhof stattgefunden. Die Streifen waren orange und schwarz.
Billy und seine Frau Valencia lagen wie Löffel aneinander geschmiegt in ihrem breiten Bett. Sie wurden von den »Magischen Fingern « gewiegt. Valencia brauchte nicht in Schlaf gewiegt zu werden. Valencia schnarchte wie eine Bandsäge. Die arme Frau hatte keine Eierstöcke und Gebärmutter mehr. Sie waren von einem Chirurgen herausgenommen worden — von einem von Billys Partnern bei dem neuen Ferienhotel.
Es war Vollmond.
Billy stieg in der vollen Flut des Mondlichtes aus dem Bett. Er fühlte sich gespenstisch und erleuchtet, so als sei er in kühles Pelzwerk gehüllt, das voll statischer Elektrizität war. Er schaute auf seine nackten Füße hinunter. Sie waren elfenbeinfarben und blau.
Billy schlurfte die Diele im ersten Stock entlang. Er wußte, daß er im Begriff war, von einer fliegenden Untertasse entführt zu werden. Die Diele war von der Dunkelheit und der Flut des Mondlichts zebraartig gestreift. Das Mondlicht drang in die Diele durch die Türspalten der leeren Zimmer von Billys Kindern, die jetzt keine Kinder mehr waren. Sie waren für immer fort. Billy war von Angst und Angstlosigkeit beseelt.
Das Angstgefühl sagte ihm, wann er stehenbleiben sollte. War es nicht mehr vorhanden, dann wußte er, daß er wieder weitergehen konnte. Er blieb stehen.
Er ging in das Zimmer seiner Tochter. Ihre Schubladen waren ausgeräumt. Ihr Wandschrank war leer. In der Mitte des Zimmers waren all die Hab Seligkeiten aufgehäuft, die sie nicht auf die Hochzeitsreise mitnehmen konnte. Sie hatte ihren eigenen telefonischen Nebenanschluß auf dem Fenstersims. Sein winziges Nachtlicht starrte Billy an. Und dann läutete es.
Billy hob den Hörer ab. Am anderen Ende war ein Betrunkener. Billy konnte beinahe seinen Atem riechen — Senfgas und Rosen. Es war eine falsche Nummer. Billy legte auf. Eine Flasche alkoholfreies Getränk stand auf dem Fensterbrett. Ihr Etikett rühmte sich, daß sie keinerlei Nährstoff enthielt.
Billy Pilgrim tappte auf seinen blauen und elfenbeinfarbenen Füßen die Treppe hinunter. Er ging in die Küche, wo im Mondlicht eine halbe Flasche Champagner auf dem Küchentisch — alles, was von dem Empfang im Zelt übriggeblieben war — seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. »Trink mich « , schien sie zu sagen.
Also entkorkte Billy sie mit dem Daumen. Sie machte kein knallendes Geräusch. Der Champagner war schal. So geht das.
Billy blickte auf die Uhr am Gasherd. Er mußte eine Stunde totschlagen, bis die Untertasse kam. Er ging ins Wohnzimmer, wobei er die Flasche wie eine Tischglocke schwang, und schaltete den Fernsehapparat an. Er war ein wenig losgelöst von der Zeit, sah den letzten Film rückwärts, dann wieder vorwärts. Es war ein Film über amerikanische Bombenflugzeuge im zweiten Weltkrieg und die tapferen Männer, die sie flogen. Rückwärts von Billy gesehen, spielte sich die Geschichte folgendermaßen ab:
Amerikanische Flugzeuge, voll von Einschüssen, Verwundeten und Leichen, starteten rückwärts von einem Flugplatz in England. Über Frankreich flogen einige deutsche Kampfflugzeuge rückwärts auf sie zu, saugten Geschosse und Granatsplitter von einigen Flugzeugen und den Besatzungen auf. Sie taten dasselbe bei abgestürzten amerikanischen Bombern auf dem Boden, und diese Flugzeuge stiegen rückwärts auf, um sich zu ihrem Verband zu gesellen.
Der Verband flog rückwärts über eine in Flammen stehende deutsche Stadt. Die Bomber öffneten ihre Bombenklappen, wandten einen wunderbaren Magnetismus an, der die Feuer eindämmte, sammelten sie in zylindrische Stahlbehälter und hievten die Behälter in das Fahrwerk der Flugzeuge. Die Behälter wurden sorgfältig in Gestelle verstaut. Die Deutschen unten hatten ihre eigenen wundersamen Vorrichtungen, die lange Stahlrohre waren. Sie benutzten sie, um noch mehr Bruchstücke von den Besatzungmannschaften und den Flugzeugen aufzusaugen. Es blieben aber noch ein paar verwundete Amerikaner, und einige Bomber waren in schlechtem Zustand. Über Frankreich stiegen jedoch wieder deutsche
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