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Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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jetzt eine sanfte Anhöhe. Als sie oben ankamen, waren sie nicht mehr in Luxemburg. Sie waren in Deutschland.

    Eine Filmkamera war an der Grenze aufgestellt — um den fabelhaften Sieg festzuhalten. Zwei Zivilisten in dicken Soldatenpelzmänteln lehnten an der Kamera, als Billy und Weary vorbeikamen. Ihnen war vor Stunden das Filmmaterial ausgegangen. Einer von ihnen richtete seine Aufmerksamkeit einen Augenblick auf Billys Gesicht, dann konzentrierte er sich wieder auf die Unendlichkeit. Eine kleine Rauchfahne schwebte über der Unendlichkeit. Dort tobte eine Schlacht. Menschen starben dort. So geht das.
     
    Die Sonne ging unter, und Billy fand sich an Ort und Stelle in einem Rangierbahnhof auf und ab hüpfen.  Wartend standen dort Reihen um Reihen geschlossener Güterwagen. Sie hatten Nachschub an die Front gebracht. Jetzt würden sie Gefangene ins Innere Deutschlands bringen.
    Der Schein von Taschenlampen tanzte wie besessen.

    Die Deutschen sortierten die Gefangenen ihrem Rang nach aus. Sie stellten Sergeanten zu Sergeanten, Majore zu Majoren und so fort. Eine Gruppe von besternten Obersten hatte sich unweit von Billy aufstellen müssen. Einer von ihnen hatte eine doppelseitige Lungenentzündung, hohes Fieber und Schwindelanfälle. Als der Rangierbahnhof um den Oberst tanzte und schwankte, versuchte er, sich im Gleichgewicht zu halten, indem er in Billys Augen starrte.
    Der Oberst hustete und hustete, und dann fragte er Billy: »Sind Sie einer von meinen Leuten? « Er war ein Mann, der ein ganzes Regiment eingebüßt hatte, an die viertausendfünfhundert Mann — viele davon tatsächlich noch Kinder. Billy gab keine Antwort. Die Frage schien ihm sinnlos.
    »Was war Ihr Haufen? « sagte der Oberst. Er hustete und hustete. Jedesmal, wenn er Luft holte, raschelten seine Lungen wie Fettpapiertüten.
    Billy konnte sich nicht an die Einheit erinnern, von der er war.
    »Sind Sie vom Vier-einundfünfzigsten? «
    »Vom Vier-einundfünfzigsten was? « wollte Billy wissen.
    Eine Stille trat ein. »Infanterieregiment « , sagte der Oberst schließlich.
    »Ach so « , sagte Billy Pilgrim.
     
    Wieder trat eine lange Stille ein, während der Oberst starb und immer mehr starb, indem er ertrank, wo er stand. Dann rief er durchnäßt aus: »Ich bin's, Jungens! Der Wilde Bob! « So hatte er immer gewollt, daß seine Truppe ihn nennen sollte: »Wilder Bob « .
     
    Keiner der Leute, die ihn hören konnten, war tatsächlich von seinem Regiment, außer Roland Weary — und Weary hörte nicht hin. Alles, woran Weary denken konnte, war der heftige Schmerz in seinen Füßen. , Aber der Oberst bildete sich ein, er spreche zum letzten Male zu seiner geliebten Truppe, und er versicherte seinen Leuten, daß es nichts gebe, dessen sie sich schämen müßten, und daß tote Deutsche über das ganze Schlachtfeld zerstreut lägen, die zu Gott gewünscht hätten, sie würden nie etwas von dem Viereinundfünfzigsten gehört haben. Er sagte, er werde nach dem Krieg ein Regimentstreffen in seiner Heimatstadt Cody, Wyoming, veranstalten. Er werde ganze Ochsen im Freien braten lassen.

    Er sagte alles das, während er Billy in die Augen starrte. Dem armen Billy brummte das Innere seines Schädels von dem unsinnigen Geschwätz. »Gott sei mit euch, Jungens! « rief er — und das hallte wider und hallte wider. »Wenn ihr jemals nach Cody, Wyoming, kommt, dann fragt nur nach dem Wilden Bob! «
    Ich war dort. Und das war auch mein alter Kriegskamerad Bernard V. O'Hare.

    Billy Pilgrim wurde mit vielen anderen Soldaten in einen Güterwaggon gesteckt. Er und Roland Weary wurden getrennt. Weary wurde in einen anderen Waggon im gleichen Zug verladen.
    Es gab schmale Luftklappen in den Ecken der Waggons, unter den Dachrinnen. Billy stand bei einer solchen Luke und, da die Menge sich gegen ihn drückte, stieg er halb an einer schrägen Eckbremse hinauf, um mehr Platz zu machen. Seine Augen kamen dabei auf gleiche Ebene mit der Luke, so daß er etwa zehn Meter entfernt einen anderen Zug sehen konnte.
    Mit blauer Kreide schrieben Deutsche die Zahl der Personen in jedem Waggon, ihren Rang, ihre Nationalität und das Datum, an dem sie verladen worden waren. Andere Deutsche sicherten die Riegel an den Waggontüren mit Draht, Stiften und anderm Eisenbahnkram. Billy konnte jemanden an seinen Waggon schreiben hören, aber er konnte nicht sehen, wer es war.
    Die meisten Soldaten in Billys Waggon waren sehr jung — gerade der Kindheit entwachsen. Aber mit Billy in

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