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Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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Junger Männer geworfen hatte, als er ein kleiner Junge war, und weil er ihn dann an den Rand des Grand Canyon geführt hatte.

    Der Mann, dem das Bett neben Billy zugeteilt war, hieß Eliot Rosewater, ein ehemaliger Infanteriehauptmann. Rosewater hatte es gründlich satt, die ganz Zeit betrunken zu sein.
    Rosewater war es, der Billy in die Science-Fiction Romane und insbesondere in die Schriften von Kilgore Trout einführte. Rosewater hatte eine riesige Sammlung von Taschenbüchern wissenschaftlicher Romanliteratur unter seinem Bett. Er hatte sie in einem Schiffskoffer ins Krankenhaus gebracht. Diese geliebten, wunderlichen Bücher gaben einen Geruch von sich, der die ganze Station durchdrang — wie ein Flanellschlafanzug, der einen Monat nicht gewechselt worden war, oder wie Irish stew.

    Kilgore Trout wurde Billys lebender Lieblingsautor, und Science Fiction wurde die einzige Art von Erzählungen, die er lesen konnte.
    Rosewater war zweimal so tüchtig wie Billy, aber er und Billy setzten sich mit ähnlichen Krisen in ähnlicher Weise auseinander. Sie hatten beide das Leben sinnlos gefunden, zum Teil wegen der Dinge, die sie im Krieg gesehen hatten. Rosewater zum Beispiel hatte einen vierzehn Jahre alten Feuerwehrmann erschossen, da er ihn für einen deutschen Soldaten hielt. So geht das. Und Billy hatte das größte Blutbad in der europäischen Geschichte gesehen, nämlich den Bombenangriff auf Dresden. So geht das.
     
    Also versuchten sie, sich und ihr Weltall neu zu erfinden. Der utopische Roman war dabei eine große Hilfe.
     
    Rosewater sagte einmal etwas Interessantes zu Billy über ein Buch, das nicht Science Fiction war. Er sagte, daß alles, was im Leben wissenswert sei, in dem Roman Die Brüder Karamasow von Fjodor Dostojewski enthalten sei. »Aber das genügt nicht mehr « , setzte Rosewater hinzu.

    Ein anderes Mal hörte Billy, wie Rosewater zu einem Psychiater sagte: »Ich glaube, ihr Ärzte müßt mit einer Menge wundervoller neuer Lügen daherkommen — oder die Leute wollen ganz einfach nicht mehr weiterleben.
     
    Auf Billys Nachttisch gab es ein Stilleben: zwei Pillen, einen Aschenbecher mit drei lippenstiftgezeichneten Zigarettenstummeln darin, von denen einer noch brannte, und ein Glas Wasser. Das Wasser war schal. So geht das. Luft versuchte aus diesem schalen Wasser zu entweichen. Bläschen hefteten sich an die Wand des Glases, zu schwach, um zu entströmen.
    Die Zigaretten gehörten Billys kettenrauchender Mutter. Sie war auf die Damentoilette gegangen, die sich in der Nähe der Abteilung für das Frauenkorps, den Hilfsdienst für die von der Luftwache und solche von der Küstenwache befand, die alle übergeschnappt waren. Sie würde jeden Augenblick zurück sein.

    Billy bedeckte wieder seinen Kopf mit der Decke.  Er bedeckte immer den Kopf, wenn seine Mutter ihn in der Geisteskrankenstation besuchen kam — er wurde immer viel kränker, bis sie wegging. Nicht daß sie häßlich war oder einen schlechten Atem oder ein unangenehmes Wesen gehabt hätte. Sie war eine durchaus nette, normale, braunhaarige weiße Frau mit Hochschulbildung.
    Sie brachte Billy einfach dadurch aus dem Gleichgewicht, daß sie seine Mutter war. In ihrer Anwesenheit kam er sich verlegen, undankbar und schwach vor, weil es sie solche Mühe gekostet hatte, ihm das Leben zu schenken und dieses Leben in Gang zu halten, während Billy in Wirklichkeit das Leben überhaupt nicht mochte.
     
    Billy hörte Eliot Rosewater hereinkommen und sich niederlegen. Rosewaters Sprungfedern berichteten eingehend davon. Rosewater war ein großer, aber nicht sehr kräftiger Mann. Er sah so aus, als ob er aus Glaserkitt gemacht sein könnte.
     
    Und dann kehrte Billys Mutter von der Damentoilette zurück und setzte sich auf einen Stuhl zwischen Billys Bett und dem von Rosewater. Rosewater begrüßte sie mit wohlklingender Herzlichkeit und erkundigte sich, wie sie sich heute fühlte. Er schien entzückt, zu hören, daß es ihr gut ging. Er stellte damit Experimente an, daß er gegenüber jedermann, dem er begegnete, eine innige Teilnahme bezeugte. Er glaubte, das könnte die ganze Welt zu einem etwas angenehmeren Ort machen, um darin zu leben. Er nannte Billys Mutter »meine Liebe « . Er probte aus, jedermann »Lieber « zu nennen.
    »Eines Tages « , versprach sie Rosewater, »werde ich hierherkommen, und Billy wird seinen Kopf entblößen, und wissen Sie, was er dann sagen wird? «
    »Nein. Was wird er dann sagen, meine Liebe?

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