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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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natürlichen Zielscheibe für alle Witze
über zerstreute Professoren wurde. Sogar seine äußere Erscheinung war zum
Lachen: eingesunken, knorrig, oben kahl und überall sonst behaart.
    Jemima hatte, vielleicht nicht mit
Absicht, aber aus dem ihr eigenen Bedürfnis heraus, wichtig zu erscheinen, den
Mythos genährt, daß ihr Mann außerhalb seines Fachgebietes im allgemeinen
nutzlos wäre. Seine Kinder mochten ihn als eine Art Haustier, schienen ihm aber
nie den schuldigen Respekt als Vater zu zollen. Dabei war Professor Ames ein
überaus kluger, fähiger und vor allem logischer Mann. Wer auch immer Jemima
diese gräßliche Sache angetan hatte, hatte das nicht gewußt.
    Shandy vermochte wirklich nicht zu
erkennen, ob das seine Verdächtigenliste besonders schmälerte. Bis auf ihn und
Präsident Svenson und vielleicht ein paar der aufmerksameren Studenten wußten
es nicht viele Leute. Es war immer schwierig zu sagen, was die Studenten
mitbekamen und was nicht.
    Es war nicht die Zeit für solche
Grübeleien. Shandy zog seinen guten grauen Mantel und den guten grauen Filzhut
an und außerdem einen dunkelroten Kashmirschal, den Alice ihm geschickt hatte,
denn es lag eine Kühle in der Luft, die durch die Wände des Backsteinhauses
drang — vielleicht, weil er den Thermostaten zuvor heruntergestellt und vergessen
hatte, ihn wieder aufzudrehen.
    Bevor er ging, machte er sein
Versäumnis wett. Tim würde vielleicht herüberkommen und eine Weile herumsitzen
wollen, und es wäre gut, das Haus für ihn gemütlich zu machen. Zu schade, daß
sie mit dem gleißenden Licht fertig werden mußten, aber ihm war klar, daß in
diesem Stadium seine einzige Hoffnung, die allgemeine Ächtung zu vermeiden,
darin bestand, es durchzufechten und so zu tun, als hielte er seine
Dekorationen für hübsch. Statt ihm offen den Krieg zu erklären, könnten seine
Nachbarn ihrem Unmut ja Luft machen, indem sie hinter seinem Rücken über seinen
schlechten Geschmack herzögen.
    Das bedeutete, daß er im nächsten Jahr
— vorausgesetzt, er schaffte es zu bleiben — keine Verteidigung finden würde
gegen den nächsten Hüter der Lichterwochen, der Jemimas gefallene Fackel
aufnehmen und ihm anbieten würde, sein Haus zu schmücken. Das war, so dachte
er, nur ein gerechter Preis. Vielleicht war die Singapore Susie bis
dahin repariert, oder er könnte wegfliegen und die Feiertage mit Alice
verbringen, wie sie ihn seit ihrer Heirat immer gebeten hatte. Vielleicht
würden Henry und Elizabeth einen bezahlten Ausflug als Weihnachtsgeschenk statt
der üblichen Zigarren und Pralinen mögen.
    Er bezweifelte es. Sie waren zwei
zufriedene alte Käuze, wie er bis vor kurzem noch selber einer zu werden
gehofft hatte. Seufzend öffnete Professor Shandy die Haustür und überließ sich
dem Mahlstrom des Frohsinns. »Vorsicht, Professor!«
    Er sprang gerade noch rechtzeitig
beiseite. Ein Schlitten, beladen mit kreischenden Touristen und angetrieben von
einer blonden Amazone in einem ausgebeulten roten Pullover und ohne
nennenswerte Beinbekleidung, abgesehen von ihren dicken grünen handgestrickten
Strumpfhosen, preschte den Bürgersteig hinunter.
    Die Schlittenzieher wußten ganz genau,
daß sie mit den Schlitten von den Gehwegen bleiben sollten, aber diese Regel
wurde ständig verletzt, insbesondere von den Mädchen, die hübsch genug waren,
um zu glauben, daß sie sich alles leisten konnten. Professor Shandy war keineswegs
unempfänglich für feminine Reize, aber knackige Blondinen ließen ihn so kalt,
wie diese Andeutungen von Höschen sie selbst nach seinem Ermessen lassen
mußten. Er würde ein Wörtchen mit dieser jungen Frau reden, wenn er sie je dazu
brächte, lang genug stillzuhalten, und wenn er es schaffte herauszufinden, wer
sie war. In diesen albernen Kostümen, die Nikolauswichtel darstellen sollten,
sahen sie alle ziemlich gleich aus. Er hätte nicht einmal gewußt, daß diese
hier weiblichen Geschlechts war, wenn sie eine andere Regel beachtet und die
Strickhaube getragen hätte, die zu dem Kostüm gehören sollte.
    Murrend bahnte er sich einen Weg durch
die Schlenderer und Gaffer und schaffte es, Ames Haus mehr oder weniger
unbeschädigt zu erreichen. Bevor er auch nur angefangen hatte zu klopfen,
öffnete Tim die Tür.
    »Hi, Pete. Ich dachte mir schon, daß du
rüberkommst. Hab’ aus dem Fenster geschaut.«
    »Gut so. Ich hätte mich bei diesem
gottlosen Getöse nie bemerkbar machen können. Es wird jedes Jahr schlimmer.«
    »Du hast deinen Teil

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