Schlaf in himmlischer Ruh

sind so viktorianisch. Sie sollten lavendelfarbene Gamaschen
und ein Stockchen zum Wirbeln tragen.«
    »Ganz wie Sie befehlen. Ein Stöckchen
wäre wirklich eine gute Idee. Ich könnte wütend um mich schlagen, wenn diese
verflixte — Miss Hayhoe, wenn ich Sie noch einmal mit diesem abscheulichen
Vehikel auf dem Crescent ertappe —«
    »Machen Sie sich nicht ins Hemd,
Professor!«
    Mit einem fröhlichen Lachen flitzte die
Amazone weiter.
    »Mißratene Göre! Sie macht sich über
mich lustig.«
    Shandy zog seine Handschuhe aus und
kratzte sich an der Nase. »Das ist ziemlich seltsam, wenn man es recht
bedenkt.«
    »Warum? Hat sich noch nie jemand über
Sie lustig gemacht?«
    »Ich bezog mich nicht auf irgendeinen,
eh, persönlichen Groll, sondern auf die flagrante Indifferenz der jungen Frau
gegenüber einer vernünftigen Regel. Sie könnte einen Gaffer über den Haufen
rennen und der Lichterwoche das Geschäft verderben. Ich bin überrascht, daß die
anderen Studenten sie noch nicht in die Mangel genommen haben.«
    »Sie ist der Typ, der mit so etwas
davonkommt,« sagte Helen. »Mit einem Namen wie Heidi Hayhoe ist das Mädchen
prädestiniert für die Rolle des Campus-Clowns. Sie ist hier wegen des Spaßes
und der Männer, und sie macht kein Hehl daraus.«
    »Warum um Himmels willen hat sie sich
dann Balaclava ausgesucht?«
    »Oh, ich nehme an, sie hat einen
Verwandten, der ein reicher und großzügiger Alumnus ist. Ist es nicht ein
Hayhoe, der diese Dreschmaschinen macht?«
    »Hayhoe Harvesters! Grundgütiger,
natürlich. Sie haben vor einiger Zeit einen gespendet. Die Schule baut eine
Menge Getreide an, wissen Sie. Tim und ich arbeiten an einer Züchtung von
extrem trockenheitsresistenter Hirse. Hirse ist ein hierzulande sehr
unterschätztes Getreide. Außer natürlich bei Wellensittichen.«
    »Aber ein Großteil der Welt lebt von
Hirse. Peter, das ist atemberaubend! Darf ich irgendwann mal sehen, wie Sie
arbeiten?«
    »Natürlich, nur ist da nicht viel zu
sehen. Agrostologie gehört nicht zu den, eh, spektakulärsten Berufen. Das ist
mein eigentliches Gebiet.«
    »Ich verstehe. Rüben sind nur ein
Nebenzweig. Aber denken Sie an all die Kühe, die Sie glücklich gemacht haben.
Die armen Dinger, das Fressen ist alles, worauf sie sich heutzutage freuen
können. Ich wette, Professor Dysarts Gebiet ist die künstliche Besamung. Er
sieht wie ein Chauvinistenschwein aus. Wahrscheinlich ein Schrecken aller
Studentinnen.«
    »Diesmal falsch geraten, Madam. Dysart
ist Ingenieur, und Dr. Svenson ist sehr streng, was die Beziehung von Studenten
und Lehrern betrifft.«
    »Dr. Svenson sagt selbst, daß hier eine
Menge vor sich geht, wovon er nichts weiß.«
    »Das sagt er nur. Was er meinte, war,
daß es eine bestimmte Sache gibt, von der er nichts weiß, und Gott steh’ mir
bei, wenn ich ihm keine Antwort liefere.«
    »Was hat er vor?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hat es mit Jemmys Mutter zu tun?«
    »Ja.«
    »Aber er wirft es doch nicht Ihnen
vor?«
    »Helen, könnten wir an einem weniger
öffentlichen Ort darüber sprechen?«
    »Entschuldigung, Peter. Hier also
wohnen die Enderbles? Ich dachte, er hätte eine Hobbit-Höhle.«
    »Das würde John vielleicht vorziehen,
aber ich zweifle daran, daß Mary es auch würde. Ich kann mir Mrs. Enderble
nirgendwo anders vorstellen als hier. Sie ähnelt der kleinen Frau im
Wetterhäuschen, nie weit von der eigenen Haustür.«
    Seine Beschreibung stimmte’. Mrs.
Enderble schoß wie aufs Stichwort heraus. Sie sah wie eine merkwürdige
Märchengestalt aus mit dem Haarknoten, dem runden und rosigen Gesicht, den
ständig verwundert fragenden Augen und den zu einem fröhlichen Lächeln
geschürzten Lippen. Selbst der kastanienbraune Wollrock und die handgestrickte
rosa Jacke schafften es irgendwie, wie eine Bauerntracht zu wirken.
    »Peter Shandy! Ich hatte nicht
erwartet, Sie so bald wiederzusehen! Das war ein entzückendes Leichenbegängnis,
nicht wahr? Genau wie Jemima es gewollt hätte, obwohl ich behaupten möchte, daß
sie es lieber ein paar Jahre aufgeschoben hätte, wie wir anderen auch. Kommen
Sie doch beide herein. John ist im Arbeitszimmer und fragt sich, wo er
irgendwas hingelegt hat, wie üblich.«
    »Ich habe eine Bewunderin von ihm
mitgebracht. Das ist Helen Marsh.«
    »Ah, Sie sind die Dame aus Kalifornien.
Wie nett! Ich sah Sie und Mrs. Lomax heute nachmittag Teppiche ausklopfen.
Jemima konnte sich für vieles begeistern, aber sie sagte immer, der Haushalt
gehöre nicht