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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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ich an«, seufzte der Doktor.
»Verdammt, meine Frau quälte mich seit Monaten, wir sollten über die Feiertage
nach Florida fahren. Das hat man davon, wenn man zu Hause bleibt. Wo ist
Grimble?«
    »Er sagte, ich sollte Ihnen ausrichten,
er wäre gleich zurück. Das war vor etwa einer halben Stunde. Ich gehe besser
nachsehen, ob er damit fertig ist, das, eh, Personal zu verhören.«
    »Wahrscheinlich verhört er irgendeine
Tippse in der Besenkammer, wie ich den alten Bock kenne. Sagen Sie ihm, er soll
sich auf die Beine machen und das Büro des County-Coroners anrufen. Diesmal
schreibe ich keinen Totenschein.«
    Es lag eine leichte Betonung auf dem
>diesmal<, die Shandy dazu veranlaßte zu erwidern: »Dann waren auch Sie
nicht völlig ohne Zweifel über Mrs. Ames Todesart.«
    Dr. Melchett starrte ihn an. Er öffnete
den Mund und ließ ihn wieder zuklappen, was unter diesen Umständen
wahrscheinlich klug war. Shandy wußte, daß es keinen Zweck hatte, auf der Sache
herumzureiten, und ging den Wachdienstchef holen. Er fand Grimble bei nichts
Sündigerem als dem Verzehr von Früchtekuchen.
    Der Mann erhob sich erstaunlich behende
und stopfte sich den letzten Bissen in den Mund. »Danke, Leute. Bis später.«
    »Sie werden uns doch wissen lassen, was
dem armen Dr. Cadwall widerfahren ist, nicht wahr?« bat Miss Tibbett.
    »Ja, und wann wir in die Mittagspause
gehen können«, fügte der Postjunge hinzu.
    »Ich glaube, Sie lassen sich besser ein
paar Brote bringen«, sagte Shandy, als die beiden Männer auf den Flur gelangt
waren. »Dr. Melchett wird keinen Totenschein ausstellen.«
    »Häh?« Grimble versprühte Kuchenkrümel.
»Warum nicht?«
    »Ich nehme an, das wird er Ihnen selbst
erklären. Er sagt, Sie sollen den County-Coroner anrufen.«
    »Oh, Jesses am Krückstock!«
    Grimble schaffte es, seinen Mund zu
leeren, um seinen Gefühlen Luft zu machen. »Professor, wenn Sie ihm das
eingeredet haben, werde ich —«
    »Nichts hat er mir eingeredet«,
schnappte der Doktor, der des Wartens müde geworden und ihnen entgegen gekommen
war. »Der Augenschein spricht für sich. Wo sind Sie gewesen, Mann? Ab ans
Telefon, aber dalli! Nach meiner professionellen Meinung habt ihr hier einen
hübschen Skandal, und ich will nichts davon abhaben.«
    Obwohl er noch seinen Mantel und die
Galoschen anhatte, wurde es Professor Shandy kalt. Er ging zu einem der großen,
altmodischen Dampf-Heizkörper hinüber, die entlang der Flure liefen, und
drückte seine Hände gegen den Rost. Er war heiß, fast zu heiß zum Anfassen,
brachte aber keinerlei Wärme in seinen Körper.
    »Ich habe einen Schock«, dachte er
kühl. »Ich sollte einen Kaffee trinken.«
    Er ging nicht zum Postraum zurück.
Wahrscheinlich hatte Grimble die Kanne geleert. Miss Tibbett würde ihm gerne
noch etwas machen, aber er wollte nicht bei der schwatzenden Mannschaft warten.
Er wollte Helen Marsh holen und sie irgendwohin mitnehmen, wo man noch nie vom
Balaclava College gehört hatte.
    Dr. Melchett sprach mit dem Büro des
Coroners. Shandy versuchte nicht zu verstehen, was er sagte. Was er nicht
sagte, nämlich das kleine Zucken seines Augenlids, als Jemima Ames erwähnt
wurde, hatte das meiste verraten. Irgend etwas mußte ihm faul vorgekommen sein
an dem Morgen, als sie gefunden wurde. Aber da Ottermole und Grimble so fest
entschlossen waren, ihren Tod einen Unfall zu nennen, hatte ihn dieselbe
Vorsicht, die ihn jetzt dazu trieb, den Schwarzen Peter weiterzureichen, dazu
veranlaßt, den Totenschein auszustellen, ohne den Harry der Ghoul es nicht
gewagt hätte, mit seinen düsteren Riten zu beginnen.
    Man konnte es ihm nicht vorwerfen, dachte
Shandy. Mord, zumindest diese Art von Mord, kam in respektablen kleinen
Collegestädten nicht vor. Selbst wenn ein Landarzt vermutete, an einem
plötzlichen Tod sei etwas faul, würde er lange, sehr lange nachdenken, bevor er
seine Praxis riskierte, indem er einen Skandal anzettelte.
    Wenn zufällig jemand anders als Shandy
Dr. Cadwall tot in seinem Büro gefunden hätte, wäre die normale Reaktion
gewesen, den Wachdienst anzurufen, genau wie er selbst es getan hatte, als er
Jemima Ames Leiche hinter seinem Sofa entdeckt hatte. Grimble hätte nicht die
Polizei geholt, sondern nach Dr. Melchett geschickt. Es war durchaus möglich,
daß die beiden es geschafft hätten, einander zu überzeugen, daß weitere
Ermittlungen nicht nötig wären — nicht weil sie beide böse oder inkompetent
waren, sondern weil jeder nicht natürliche Tod

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