Schlaf in himmlischer Ruh
außerhalb ihres üblichen
Denkschemas lag.
Und auch, weil sie wußten, daß
Thorkjeld Svenson sie in Stücke reißen würde, wenn sie einen Skandal aufrührten
und keinen Hauptschurken anbringen könnten. Wie die Affäre jetzt aussah,
könnte, falls Miss Baxters Prophezeiung je in Erfüllung ginge, die dritte
Leiche auf dem Campus durchaus die von Peter Shandy sein.
Fünfzehntes Kapitel
B estand irgendeine entlegene
Möglichkeit, daß Melchett aus dringlichen persönlichen Gründen die Sache
vertuschen wollte? Aber Ärzte töteten keine Leute, zumindest nicht absichtlich.
Von dieser abseitigen Idee schockiert, studierte Shandy den Mann am Telefon
eingehender als je zuvor. Das Adjektiv, das ihm in den Sinn kam, war >respektabel<.
Dr. Melchett hatte zur Szenerie gehört,
seit Shandy nach Balaclava gekommen war. Als offizieller Arzt vom Dienst zeigte
er sich bei den meisten der größeren gesellschaftlichen Ereignisse mit seiner
Frau, die, wie Shirley Wrenne einmal bemerkt hatte, für jede Gelegenheit ein
neues Kleid und ein altes Klischee hatte.
Melchetts Sorte von Respektabilität
mußte einen gehörigen Batzen kosten. Hatte der Doktor festgestellt, daß die
Einnahmen die Ausgaben nicht deckten, und angefangen, die Rechnungen für das
College zu frisieren? Wenn ja, hätte Cadwall es sicher herausgefunden; aber war
das ein ausreichendes Mordmotiv? Und wo kam Jemima Ames ins Spiel?
Was hatten sie und Ben Cadwall
tatsächlich gemeinsam, außer daß sie beide zum College gehörten und unmittelbare
Nachbarn waren? Sie waren beide enge Vertraute von Hannah, und sie hatten beide
das Hobby, in den Angelegenheiten anderer Leute zu stöbern. Ob sie je
zusammenkamen und Gerüchte austauschten, spielte keine Rolle, weil Hannah ihrem
Gatten sicherlich jedes Bröckchen weiterreichte, das Jemima fallen ließ.
Jemima hätte geplaudert, daran konnte
kein Zweifel bestehen. Kein einziges Mal hatte Shandy in ihrer Gegenwart Tim
besuchen können, ohne eine Geschichte anhören zu müssen, die er lieber nicht
gehört hätte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie irgend etwas Neues
erfahren und es nicht sofort ihrer besten Freundin anvertraut hätte.
Während dieser letzten paar Wochen
hatte Jemima sehr eng mit vielen Studenten zu tun gehabt. Was wäre gewesen,
wenn sie Wind davon bekommen hätte, daß man Melchett mit Schmiergeld dazu
bringen konnte, eine Abtreibung durchzuführen, ohne den offiziellen Weg zu
gehen und Balaclavas hohen moralischen Ton zu stören, oder daß er Studenten mit
Drogen belieferte? Weder sie noch Ben hätten sich gescheut, ihn mit dem Gerücht
zu konfrontieren oder ihn schnell in die Pfanne zu hauen, wenn es ihm nicht
gelungen wäre, sie von seiner Unschuld zu überzeugen. Bei der hohen Moral von
Balaclava konnte auch schon die Andeutung eines Fehltritts ihn bei den Svensons
und damit beim College, der Stadt und vielleicht bei Mrs. Melchett und allen
anderen, die ihm vermutlich lieb und wert waren, in Verruf bringen.
Einen leidenschaftlichen Hypochonder
wie Ben zu vergiften, sollte keine schwere Aufgabe für einen Arzt sein, der
jahrelang von seinen Beschwerden gehört und ihm seine Placebos verordnet hatte.
Taxin als Vehikel zu wählen, wäre wirklich ein schlauer Streich, denn der Stoff
stand nicht im Arzneibuch, konnte aber von jedem abgepflückt werden, der wußte,
wie man einen einfachen Absud bereitet, und Shandy fiel niemand auf dem Campus
ein, der das nicht wußte.
Die Tatsache, daß Melchett gerade dabei
war, den Schwarzen Peter weiterzugeben, bedeutete gar nichts. Kein respektabler
Arzt würde sich gerne in einen Mordfall verwickeln lassen. Shandy verschwendete
keinen weiteren Gedanken daran. Er dachte, wenn Melchett wirklich Ben und
Jemima getötet hätte, wäre er ein Dummkopf, wenn er nicht auch Hannah töten
würde.
Vielleicht hatte er das bereits.
Vielleicht reagierte Mrs. Cadwall deswegen auf keine der Nachrichten, die für
sie hinterlassen worden waren. Vielleicht hatte sie sich mit ihrem Mann ein
tödliches Frühstück geteilt und saß noch in ihrem Haus auf dem Crescent vor
einer leeren Kaffeetasse und starrte in die Unendlichkeit. Shandy fand einen
Stuhl, schob ihn dicht an die Heizung, setzte sich und zog seinen Mantel fest
um sich.
Melchett beendete sein Gespräch mit dem
Büro des Coroners, holte seinen schicken Automantel aus dem Büro des
Finanzchefs und kam mit seiner Tasche in der Hand zu Shandy herüber.
»Hat keinen Sinn, daß ich noch
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