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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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daß er nichts berühren durfte, aber sicher
war nichts Schlimmes daran, wenn er seine Augen benutzte.
    Er war sicher, daß Cadwall vergiftet
worden war. Als Getreidefachmann wußte der Professor viel zu viel über
Pestizide und ihre Wirkungen. Obwohl er und Tim seit Jahren einen wütenden
Kampf gegen diese Toxine gefochten hatten, war immer noch kein Mangel an
tödlichen Substanzen in Balaclava. Aber welches Gift würde genau auf diese
Weise töten, und wie hatte man es dem Opfer verabreicht?
    Auf dem Tisch war nichts, was Aufschluß
geben konnte, außer einem sauberen Löscher, einem Stapel Schecks, ein paar
Stiften in einer Schale und zwei Körben mit der Aufschrift »In« und »Out«. Die
Kleider des Opfers waren nicht in Unordnung. Ben hatte sich immer wie Calvin
Coolidge angezogen, mit gestärkten Kragen und enggebundenen Krawatten und einer
zugeknöpften Weste unter einem zugeknöpften Anzugjackett. Sogar im Sommer war
seine einzige Konzession an das Thermometer, seine Weste abzulegen.
Wahrscheinlich hätte sich jemand hinter ihn schleichen und eine Spritze durch
diese verschiedenen Kleidungsschichten stoßen können, aber Shandy konnte keine
Anzeichen dafür erkennen, daß das jemand getan hatte.
    Jemand, der während der Lichterwoche
dieses Büro mit bösen Absichten betrat, ging ein besonderes Risiko ein, eben
weil das normalerweise geschäftige Verwaltungsgebäude so still war. Sollte
irgend jemand vom Personal zufällig an seinem Platz sein, war die Chance,
gesehen zu werden und aufzufallen, äußerst groß. Es wäre viel einleuchtender,
eine langsam wirkende Substanz wie Arsen zu verabreichen und weit weg zu sein,
wenn das Zeug zu wirken begänne.
    Das geschmacklose Arsen war einfach zu
verabreichen, aber Shandy glaubte nicht, daß es in diesem Fall benutzt worden
war. Er konnte sich nicht dazu zwingen, an den schlaffen Lippen zu riechen,
meinte aber, er könne den abstoßenden Geruch einer Magenverstimmung erkennen.
Erbrechen paßte zu einer Arsenvergiftung, aber hätte es nicht angehalten, bis
das Opfer im Krampf starb, da niemand in der Nähe gewesen war, um ihm zu
helfen? Hätte man Ben dann nicht auf dem Fußboden in der Herrentoilette finden
müssen und nicht an seinem Schreibtisch sitzend? Es sah so aus, als hätte der
Finanzchef etwas eingenommen, das erst Übelkeit erregte und ihn dann in den
ewigen Schlaf versetzte.
    Ben wäre nicht unbedingt besorgt
gewesen wegen eines plötzlichen Übelkeitsanfalls. Er war neuen Symptomen
gegenüber stets aufgeschlossen. Wenn sie die Form von Krämpfen und Durchfall
annahmen, gab er dem Laxativ die Schuld, das er sich ohne Zweifel abends zuvor
verschrieben hatte. Wenn er erbrach, nahm er an, er würde eine der
Viruserkrankungen bekommen, die immer in der Luft lagen. Dann würde er sich auf
einige Tage Bettruhe einrichten und seine Arbeit energisch beenden, bevor er
nach Hause ging.
    Was für ein Gift könnte einem erst
Magenschmerzen verursachen und einen dann hilf- und bewußtlos machen, bevor man
merkte, wie krank man war? Da sein Job die Pflanzen waren, wandten sich Shandys
Gedanken natürlich den Pflanzengiften zu. Warum auch nicht? Warum sollte ein Killer
das Risiko eingehen, eine tödliche Droge zu kaufen oder zu stehlen, wenn im Ort
reichlich Fensterbretter den Tod zum Abpflücken boten, sogar mitten im Winter?
    Weihnachsstern und Mistel zum Beispiel
waren viel weniger unschuldig, als die meisten Leute annahmen, aber Shandy war
nicht sicher, wie sie wirkten. Um sichere Resultate zu erhalten, würde sich ein
Mörder besser an die Alkaloide halten. Das gute alte Conium maculatum würde Ben bei ausreichend klarem Verstand lassen, um Schecks zu unterschreiben,
während seine Lungen allmählich paralysiert würden — aber wo konnte man im
Dezember giftigen Schierling finden?
    Solanin führte zu Betäubung und
Lähmung. Man brauchte nur eine grüne Kartoffel oder die Keime von einer, die zu
sprießen begonnen hatte. Dann gab es die einfachen Herzberuhigungsmittel wie Cannabis
sativa. Eine konzentrierte Dosis Pot konnte jemanden so high machen, daß er
nie mehr zurückkam. Die Leute sollten das Zeug nicht auf dem Campus anpflanzen,
aber es gab immer ein paar, die das schick fanden.
    Auf einmal konnte Shandy den Anblick
des Toten nicht mehr ertragen. Er ging hinaus, stellte sich ans Flurfenster und
hoffte, Dr. Melchetts Auto zu erblicken. Aber nichts war zu sehen außer
zertrampeltem Schnee und einem bleiernen Himmel und Bäumen mit kahlen Ästen,
die sich im

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