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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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rauhen Dezemberwind bewegten: Ahornbäume, die silbrig und schlank
wirkten, selbst wenn ihre Stämme nicht einmal mit ausgestreckten Armen umspannt
werden konnten, Eichen, so rauh und knorrig wie Thorkjeld Svenson, an deren
Zweige sich noch braune Blätter klammerten, die graziösen Linien weißer Birken,
an denen der Birkenbohrer sein schmutziges Werk noch nicht vollendet hatte;
Silhouetten vor dem angenehmen Smaragdgrün der Tannen und dem tieferen Grün der
Eiben, die in den vielen Jahren, seit man sie gepflanzt hatte, groß und
x-beinig geworden waren. Es gab eine Menge Eiben in Balaclava. Sie sahen gut
aus, waren billig, und man konnte darauf zählen, daß sie unbeschädigt durch den
harten Winter von Neuengland kamen, obwohl man die neuen Studenten immer davor
warnen mußte, die glasigen roten Beeren zu essen, und die Tiere davon abhalten
mußte, die Zweige zu fressen.
    Tatsächlich könnte auch ein aus den
allgegenwärtigen Eibennadeln destillierter Taxinabsud als Herzberuhigungsmittel
wirken, das unbemerkbar im Körper arbeitete, bis es genau zu einem Tod wie dem
von Ben führte, wenn Shandy sich recht erinnerte. Er erwog die verschiedenen
Möglichkeiten und wünschte, er könnte an Professor Muenchers Buch über
Pflanzengifte oder einen anderen verläßlichen Text gelangen, als ein vier Jahre
alter kastanienbrauner Oldsmobile vor dem Gebäude vorfuhr und ein gedrungender
Mann in einem schicken Kamelhaarmantel ausstieg, der eine schweinslederne
Arzttasche vom Sitz zog. Shandy eilte hinab, um ihm die Tür zu öffnen.
    »Dr. Melchett, ich bin erleichtert, Sie
zu sehen. Sie haben die Nachricht wegen Dr. Cadwall erhalten?«
    »Nur, daß ich so schnell herkommen
sollte wie möglich. Ich habe noch nicht einmal zu Mittag gegessen. Wo ist er?
Warum haben Sie ihn nicht ins Krankenhaus gebracht? Oder zur Krankenstation?
Was ist mit ihm?«
    »Eh — er ist tot. Ich schaute wegen
einer, eh, geschäftlichen Angelegenheit herein und fand ihn auf seinem Stuhl
sitzend, genau wie er jetzt dasitzt.«
    »Soso.« Melchett stellte seine Tasche auf
dem Schreibtisch des Finanzchefs ab und hing seinen Mantel sehr sorgfältig über
die Lehne eines Holzstuhles. »Man weiß ja nie, oder? Ich hätte gedacht, daß Ben
noch für weitere fünfzig Jahre gut ist. Bei der letzten Untersuchung habe ich
es ihm gesagt. Er glaubte mir natürlich nicht. Ben dachte immer gern, er pfeift
aus dem letzten Loch. Offenbar hatte er recht und ich unrecht. Gerade richtig,
um zu zeigen, daß wir Ärzte nicht unfehlbar sind, so gern wir auch denken, wir
wären es.« Er beugte sich nach vorn und zog ein Augenlid des Toten zurück. »Wo
ist Hannah?«
    »Wir versuchen, sie ausfindig zu
machen.«
    »Aha. Einkaufen gegangen ohne Zweifel.
Es ist verblüffend, wieviel Zeit Frauen in Läden verbringen können. Ich würde
sie gern fragen, was Ben sich selbst verabreicht hat.«
    »Ich dachte an pflanzliche Alkaloide«,
wagte sich Shandy vor.
    »Warum?«
    »Weil so leicht dranzukommen ist, nehme
ich an, und weil ich gesehen habe, wie das Vieh sich vergiftet hat, als es das
Zeug fraß. Sie bleiben einige Zeit ohne Symptome im Körper, dann treten Krämpfe
und Koma —«
    »Ich brauche keinen
Nachhilfeunterricht«, schnappte Melchett. Er untersuchte die Leiche noch einen
Moment, dann fragte er in weniger kriegerischem Ton: »Denken Sie an irgend
etwas Bestimmtes?«
    »Coniin, Cannabin, Solanin, Taxin. Ich
könnte Ihnen eine komplette Liste geben, vermute ich, wenn ich mich hinsetzen
und eine Weile nachdenken würde. Pflanzliche Toxizität ist etwas, womit wir
Agrostologen uns befassen müssen, wissen Sie.«
    »Aber wie hätte das Gift in seinen Körper
kommen können? Niemand mit nur einem Funken Verstand würde so viel einnehmen.«
    »Sicher nicht absichtlich.«
    Melchett starrte ihn verblüfft an und
begann, sein Kinn zu reiben. »Aber Ben war einer von diesen Bio-Freaks. Hat
Hefe auf seine Cornflakes gestreut und so was.«
    »Das gebe ich zu, aber glauben Sie, er
hätte sich vergewissert, daß es tatsächlich Hefe war, die er da streute? Es sei
denn, eh, jemand hätte die Schachteln vertauscht.«
    Der Arzt hörte auf, sein Kinn zu
reiben. »Shandy«, sagte er steif, »das ist eine unverantwortliche Behauptung.
Meinen Sie nicht, daß Sie in Anbetracht Ihres kürzlichen seltsamen Verhaltens
Ihre Bemerkungen besser etwas zurückhielten?«
    »Meinen Sie nicht, daß Sie in
Anbetracht der vorliegenden Umstände besser beraten wären, eine Autopsie
anzuordnen?«
    »Das nehme

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