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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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C.J. gefunden, niemanden getroffen, der etwas gesehen, geschweige denn irgendetwas Außergewöhnliches entdeckt hatte. Ein einziges Grundstück war interessant, einsam gelegen, mit einem riesigen Haus mit Terrassen und Veranden, vier Säulen an der Frontseite – vollkommen versteckt in einem verwilderten Garten und groß genug, um ein Geheimnis zu verbergen, oder was immer hinter oder unter den Mauern vor sich ging. Doch nach einem Anruf beim Grundbuchamt war ihr klar, dass sie eine Niete gezogen hatte. Das Gebäude gehörte der Regierung, und nach einem ausführlichen Rundgang – oder eher etwas in der Richtung »Eindringen in öffentliches Eigentum« – stellte sie fest, dass es leer stand und unbewohnt war, wenn man von Ratten und Mäusen einmal absah. Nichts als eine perfekte Kulisse.
    Später, als der Tag in den Abend überging und die Dämmerung von der Dunkelheit abgelöst wurde, musste sie die nackte Tatsache schlucken, dass sie keinen einzigen Schritt weitergekommen war. Sie tappte genauso im Dunkeln wie bisher. Ein Scheitern an einer unlösbaren Aufgabe auf der ganzen Linie. Es fiel ihr schwer zu akzeptieren, dass ihr Plan nicht aufzugehen schien. »Vielleicht kannst du C.J. ja herzaubern?«, fragte sie sich im Stillen. Abrakadabra.

17
     
    Nach einem schnellen Abendessen in einem Fast-Food-Restaurant war es eigentlich Zeit, ins Hotel zurückzukehren, aber Máire hatte die westlich von Savannah gelegene Gegend noch nicht erkundet. Also setzte sie ihre unerbittliche Jagd fort, obwohl es schon so dunkel war, dass sie kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Sie fand es beruhigend zu fahren. Und im Hotelzimmer auf dem Bett zu liegen, an die Decke zu starren und die Gedanken wie einen aufgeschreckten Vogel kreisen zu lassen, war keine gute Alternative. Das würde sie nur verrückt machen. Außerdem durfte sie keine Zeit verlieren. Máire warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, wohl wissend, dass jede Minute C.J.s letzte sein konnte, vorausgesetzt, sie lebte überhaupt noch.
    Máire nahm den Highway 404 stadtauswärts, bog Richtung Chatham ab und fuhr eine geteerte Straße entlang, die sich durch die morastige Landschaft vor Savannah schlängelte. Der Gegenverkehr nahm ab, und die vertrauten Lichter der Zivilisation wurden im Rückspiegel immer kleiner. Nach und nach tauchten die Landmarken auf, die sie in der vergangenen Nacht schon kennengelernt hatte: die gotisch-viktorianische Kirchenruine und die Gegend mit den verfallenen Häusern und verwilderten Grundstücken, die ihr einen Schauer den Rücken hinunterjagten.
    Als sie über die verlassene Kreuzung und die weiße Holzbrücke fuhr, die sie mit Grausen wiedererkannte, dauerte es nicht lange, bis die Straße in einen schmalen erdigen Fahrweg mündete, beidseitig gesäumt von hohen, dicht stehenden Eichen. Die große Eiche, die am Vortag den Polizeiwagen zum Stehen gebracht hatte, war zur Seite geräumt worden, und nur ein paar Reste des vom Unwetter entwurzelten Baumes lagen noch da; sonst sah alles so aus, wie sie es in Erinnerung hatte.
    Die moosbewachsenen tief hängenden Zweige schlugen gegen die Scheibe, Schatten zuckten unheilvoll, und es herrschte erdrückende Stille. Sie merkte, wie sie zu schlottern begann, und warf einen raschen Blick auf die Anzeige im Armaturenbrett: Öl, Benzin, Batterie, Wasser. Kein Lämpchen leuchtete rot auf. Der Motor schnurrte wie immer. Alles war in bester Ordnung.
    Zumindest mit dem Auto.
    Um ihre Nerven war es weniger gut bestellt. Nervös nestelte sie an ihrem Goldmedaillon.
    Ganz ruhig, sagte sie sich und machte das Radio an. Auf der Fahrspur standen tiefe Pfützen, sie fuhr fünfundzwanzig Stundenkilometer und wurde trotzdem hin und her geschleudert. Chris Daughtry sang eine kehlige Rock’n’Roll-Melodie von Heimkehr.
    Heim …
    Máire wollte auch nach Hause, wenn sie nur den Weg wüsste. Das musste der Inbegriff von Verlorenheit sein – nicht zu wissen, wohin man gehörte. Sie stellte einen anderen Sender ein und versuchte, an etwas anderes zu denken.
    Sie riss das Steuer herum, um den schlimmsten Schlaglöchern und Wurzeln auszuweichen. Ein sengend heißer Tag hatte die Erdoberfläche ausgetrocknet, wo die mächtigen Baumkronen nicht dicht genug waren, um das Durchdringen der Sonnenstrahlen zu verhindern, und von der Kühlerhaube stiegen Dampfwolken weiß wie Schleier auf.
    Nach drei Kilometern konnte sie die Geschwindigkeit auf dreißig Stundenkilometer erhöhen. Sie sah sich um und warf einen Blick in den

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