Schlaf, Kindlein, schlaf
Fingern, bis ihre Arme vor Anstrengung zitterten. Sie wusste allerdings nicht, wie viel Sauerstoff noch im Apparat war – vorausgesetzt, es handelte sich überhaupt um Sauerstoff –, aber sie wusste, dass sie schnell sein musste. Jede Minute war kostbar.
27
Etwas schwirrte durch die Luft, und er registrierte eine Bewegung. Marlon LeBelle stieß einen überraschten Schrei aus. Eine spitze Stiefelkappe traf ihn von hinten genau dort, wo es besonders wehtat. Er krümmte sich vor Schmerz und ging in die Knie, die Arme wie Flügel von sich gestreckt, als hätte ihn ein Güterzug gerammt. Die Schaufel flog aus seiner Hand und landete auf Stein, sodass das Metall vibrierte. Seine Eingeweide wanden sich wie Schlangen, und die Übelkeit stieg bis in seinen Hals. Er schnappte nach Luft, ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzufinden, und wollte auf die Beine kommen. Doch es gelang ihm nicht. Die Wucht des Tritts hatte ihn vornüber katapultiert, und er war mit dem Kopf auf etwas Spitzes gefallen. Ihm wurde schwarz vor dem rechten Auge, und die Schmerzen im Unterleib waren unerträglich.
Er hob die Hand und legte sie auf seinen Schritt, während die Übelkeit weiter zunahm. Seine Bewegungen kamen ihm träge und kraftlos vor, wie bei einem Film in Zeitlupe. Er machte keinen Laut, obwohl ihm Tränen die Wangen hinabströmten und sein Mund sich vor Schmerz verzog. Eine Minute lang konnte er nicht atmen.
Er hörte schwere Stiefelschritte über den Kies gehen und hob langsam den Blick. Aber seine Augen wollten nicht mit seinem Gehirn kooperieren, und er konnte nur die Silhouette von einem grauen schattenhaften Gespenst erkennen.
Marlon LeBelles Augen waren vor Schreck und Panik weit aufgerissen. Er klimperte mit den Lidern, die sich wie widerspenstige Federn anfühlten, und versuchte klar zu sehen. Er hörte Donnergrollen in der Ferne. Mit blutendem Kopf starrte er auf die Ursache des Tritts, genau auf Augenhöhe: zwei Stiefelspitzen mit Eisenbeschlägen.
Er war wie gelähmt.
Der Angreifer wartete geduldig, trat aus dem Schutz der Dunkelheit einen Schritt nach vorn, musterte den Verletzten, der blutverschmiert am Boden lag. Dann flüsterte er kalt: »Du bist zum Kotzen …«
LeBelle hörte, wie eine Feder gespannt wurde, sah auf und blickte in den Lauf einer Smith & Wesson .357, die von einer großen behandschuhten Hand gehalten wurde. Die Armmuskeln unter dem kurzärmeligen Uniformhemd spielten, und über dem Bizeps prangte eine große dunkle Tätowierung.
LeBelle wurde blass, seine Lippen bebten.
»Guck mich an, du armseliges Dreckstück!«, zischte der Gegner. »Ich bin dein schlimmster Albtraum! … Dein letzter Albtraum!«
Der Angreifer könnte auch alles im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten abwickeln, aber dann könnte sich das Schwein auf Unzurechnungsfähigkeit berufen und würde freigesprochen werden. Das wollte er nicht. Heute Nacht war er Richter, Henker und Gott zugleich. Heute Nacht legte er die Dienstmarke ab, die Waffe behielt er.
Einen Stiefel setzte er auf die Treppenstufe und stützte den Unterarm auf das Knie, damit sein Gesicht etwa auf einer Höhe war mit Marlon LeBelles. Wenn sein geistiger Zustand sich überhaupt in seiner Miene widerspiegelte, dann war er kalt wie arktisches Eis. Er verzog den Mund zu einem bösen Lächeln.
LeBelle schnaubte.
»Wo hast du sie begraben?«, fragte die ruhige Stimme des Mannes.
LeBelle starrte geradeaus ins Leere, während sich ein manisches Lachen seine Kehle hocharbeitete. »Hast du einen Dienstausweis? Und einen Durchsuchungsbefehl?«
Der Mann verpasste ihm mit dem Revolver einen schwungvollen Schlag ins Gesicht.
LeBelle spuckte Blut und lachte – es sah aus, als würden seine Mundwinkel bis zu den Ohren gezogen mit den Fleischerhaken, mit denen er sonst lustvoll die Brustwarzen seiner Opfer durchbohrte. »Leck mich am Arsch! … Du kannst mir gar nichts nachweisen. Du hast überhaupt keine Beweise.«
»Da irrst du dich aber. Denk drüber nach. Guck dich mal an. Du bist bewaffnet. Du bist angezeigt worden. Ich vergreife mich nicht an Unschuldigen. Es ist also sehr glaubwürdig, wenn ich sage, dass du mich bedroht hast. Das ist reine Lüge, aber ich habe kein Problem damit, das kannst du mir glauben. Und es wird niemanden geben, der das Gegenteil behauptet. Der Keller da unten ist eine Goldgrube, was Beweise für deine widerlichen sadomasochistischen Fantasien angeht und für dein krankes Hirn und die vielen unschuldigen Frauen, die du
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