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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wasser nie«, erklärte ich ihr.
    »Was?«
    »›Wenn man den Kessel anstarrt, kocht das Wasser nie.‹ Einer der kleinen Aphorismen meiner Mutter.«
    »Aphorismen? Guter Ausdruck. Ist das so was wie ein Sprichwort?«
    »Mehr oder weniger.«
    Alison wandte den Blick gehorsam ab und sah zum Fenster. »Ich nehme an, du hast gesehen, wie ich mit Denise und K.C. geredet habe.« Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
    Ich nickte wortlos.
    »Sie wollten das Häuschen sehen.« Sie machte eine Pause und betrachtete ihre nackten Füße. »Jedenfalls sind wir ziemlich lange aufgeblieben, und auf einmal lag Denise in meinem Bett und K.C. mehr oder weniger bewusstlos auf dem Fußboden.« Pfeifend verkündete in diesem Moment der Teekessel, dass das Wasser kochte. Alison erschrak erst und lachte dann. »Sieht so aus, als hätte deine Mutter Recht. Ich musste bloß aufhören, ihn anzustarren.«
    »Mutter weiß alles am besten.« Meine nächsten Worte wählte ich mit Bedacht. »Hast du deine Familie angerufen, um ihnen ein glückliches Thanksgiving zu wünschen?«
    »Nein.« Alison goss meinen Tee auf. »So weit bin ich irgendwie
noch nicht. Hier. Trink das. Danach geht es dir bestimmt besser.«
    »Hoffentlich.« Ich nippte vorsichtig an der heißen Flüssigkeit.
    »Und hat dir der Abend gefallen? Mal abgesehen von dem Übergeben, meine ich.«
    Ich lachte und begriff, dass das Thema Familie zumindest fürs Erste abgeschlossen war. »Ich hatte einen wunderbaren Abend.«
    »Ich glaube, Josh mag dich wirklich.«
    »Meinst du?«
    »Das habe ich daran gemerkt, wie er dich angesehen hat. Er denkt, dass du ein ganz besonderer Mensch bist.«
    »Er ist ein sehr netter Mann.« Ich nippte erneut an meinem Tee, verbrannte mir die Zunge und setzte wieder ab.
    »Vorsicht«, warnte Alison mich zu spät. »Heiß.«
    »Und was hast du heute vor? Gehst du mit deinen Freunden an den Strand?«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich werde hier bleiben und mich vergewissern, dass es dir wieder gut geht.«
    »O nein. Das möchte ich nicht.«
    Alison zog sich einen Stuhl heran und nahm neben mir Platz. »Du hast dich doch auch um mich gekümmert, als ich krank war, oder?«
    »Ja, aber …«
    »Kein Aber.« Sie lächelte. »Das wäre also abgemacht. Ich gehe nirgendwohin.«
     
    Kurz nachdem ich meinen Tee getrunken hatte, kehrte meine Übelkeit zurück, und ich wurde von einem quälenden trockenen Würgen geschüttelt. Erstaunlicherweise war Alison eine wunderbare Krankenschwester, die mir eine kalte Kompresse auf die Stirn drückte und nicht von meiner Seite wich, bis ich wohlbehalten im Bett lag. »Schlaf«, höre ich sie
immer noch sagen, und dazu streichelte sie mir sanft übers Haar. »Schlaf … schlaf.«
    Ob es meine Erschöpfung, der Klang ihrer Stimme oder die Berührung ihrer Hand war, binnen Minuten war ich jedenfalls friedlich eingeschlafen und wurde dieses Mal auch nicht von Träumen geplagt. Mehrere Stunden schlief ich tief und fest, und als ich die Augen wieder aufschlug, war es beinahe Mittag.
    Ich richtete mich im Bett auf, reckte den Hals und wand den Kopf hin und her, um meine Verspannung zu lösen. In diesem Moment hörte ich im Nebenzimmer eine leise Stimme und erkannte, dass es Alison war. »Ich hab nicht angerufen, um mich mit dir zu streiten«, hörte ich sie sagen, als ich aus dem Bett stieg und mich auf dem Weg zur Tür an der Wand abstützte.
    »Alles läuft genau wie geplant«, redete sie weiter, als ich in den Flur trat und näher kam. »Du musst einfach darauf vertrauen, dass ich weiß, was ich tue.«
    Ich muss wohl ein Geräusch gemacht haben, denn sie fuhr plötzlich auf ihrem Stuhl herum und sah mich mit aschfahlem Gesicht an.
    »Terry! Wie lange stehst du schon da? Geht es dir gut?« Die Worte quollen in einem einzigem Schwall aus ihrem Mund wie Sand aus einer zerbrochenen Sanduhr. »Hör mal, ich muss Schluss machen«, sagte sie in das Handy an ihrem Ohr, bevor sie es ganz beiläufig in der Tasche ihrer weißen Shorts verschwinden ließ. Sie sprang auf, führte mich zu dem Sofa und setzte sich neben mich, sodass unsere Knie sich berührten. »Mein Bruder«, erklärte sie und klopfte auf das Handy in ihrer Tasche. »Ich habe beschlossen, dass du Recht hattest und ich meine Familie zumindest anrufen und ihnen einen schönen Feiertag wünschen sollte, damit sie wissen, dass ich gesund und munter bin.«
    »Und es ist nicht gut gelaufen?«

    »Ungefähr so gut, wie zu erwarten war. Aber wie geht es dir? Du siehst

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