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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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Thanksgiving und Weihnachten verlief sowohl zu Hause als auch im Krankenhaus besonders hektisch. Seit dem Tod meiner Mutter vor fünf Jahren hatte ich kein großes Aufhebens mehr um das Weihnachtsfest gemacht und mich dem Trubel sogar so gut es ging entzogen, indem ich viele Überstunden geschoben und mich freiwillig für die späte Nachtschicht gemeldet hatte. Aber Alison war entschlossen, das zu ändern.
    »Was soll das heißen, du arbeitest Weihnachten?«, jammerte sie.
    »Es ist bloß ein Tag wie alle anderen.«
    »Nein, das ist es nicht. Es ist Weihnachten. Kannst du nicht mit irgendwem tauschen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich arbeitete am späten Nachmittag in meinem Garten, und Alison lief ruhelos auf dem Rasen hinter mir auf und ab.
    »Aber das ist echt blöd!«, protestierte sie und wirkte dabei mindestens zehn Jahre jünger als ihre achtundzwanzig Jahre. »Ich meine, ich hatte irgendwie gehofft, wir würden den ersten Weihnachtstag zusammen feiern.«
    »Wir könnten den Heiligen Abend zusammen verbringen.«
    Sofort hellte sich ihre Miene auf. »Stimmt. Viele Familien machen ihre Geschenke schon Heiligabend auf, oder nicht? Ich denke, das wäre okay. Kann ich mitkommen, wenn du einen Baum aussuchst?«
    »Einen Baum?« Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen Weihnachtsbaum gehabt hatte.

    »Man muss doch einen Baum haben! Was ist Weihnachten ohne Weihnachtsbaum? Dazu besorgen wir Schmuck und kleine weiße Lichter. Auf meine Kosten selbstverständlich. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Es wird bestimmt ganz toll. Können wir das machen?«
    Wie hätte ich nein sagen können? In den Wochen nach meiner Krankheit war Alison zu einem regelmäßigen – und zunehmend willkommenen – Bestandteil meines Tages geworden. Wir telefonierten häufig von der Arbeit aus miteinander, aßen zwei- bis dreimal die Woche zusammen zu Abend und gingen hin und wieder zusammen ins Kino oder machten einen Spaziergang am Strand. Egal wie verplant unsere Tage auch waren, Alison fand immer Zeit, die wir gemeinsam verbringen konnten. Und trotz meiner anfänglichen Bedenken über Mieter im Allgemeinen und Alison im Besonderen rannte sie mögliche Befürchtungen meinerseits einfach über den Haufen. Ihr gegenüber war ich schlicht machtlos, wie mir auffiel, als wir ein paar Tage später den Military Trail in Richtung unseres Zuhauses fuhren, im halb offenen Kofferraum eine große Kiefer. Binnen weniger Monate hatte sie es geschafft, ein wesentlicher Teil meines Lebens und trotz der zwölf Jahre Altersunterschied die beste Freundin zu werden, die ich vermutlich je hatte.
    »Ist das nicht der absolut prächtigste Baum auf der ganzen Welt?«, fragte sie, nachdem wir die letzten rosafarbenen Schleifen an seine langen Äste gebunden hatten. Wir traten einen Schritt zurück, um unser Kunstwerk zu bewundern.
    »Es ist der absolut prächtigste Baum auf der ganzen Welt«, bestätigte ich, und sie umarmte mich.
    »Das wird das beste Weihnachtsfest überhaupt«, erklärte Alison, als der Heilige Abend näher rückte und sie ein weiteres Geschenk auf den ständig wachsenden Haufen unter dem Baum legte, den sie in der Ecke meines Wohnzimmers platziert hatte.

    »Ich glaube, sie hat Heimweh«, vertraute ich Margot bei der Arbeit an. »Ich meine, du solltest sehen, was sie mit dem Haus gemacht hat. Überall Weihnachtsschmuck, Berge von Stechpalmenzweigen, und ich kann keinen Schritt gehen, ohne über einen dieser seltsamen kleinen Weihnachtsmänner zu stolpern, die sie überall aufgestellt hat.«
    »Klingt so, als würde sie deinen Haushalt übernehmen«, sagte Margot lachend. »Was meinst du, wie lange es noch dauert, bis sie bei dir einzieht und du in das kleine Haus im Garten ausweichen musst?« Sie griff nach einer Patientenakte und ging an das klingelnde Telefon.
    »Ich glaube, sie hat einfach Heimweh«, erwiderte ich, leicht verärgert über Margot, ohne recht zu wissen, warum.
    Margot hielt mir den Hörer hin. »Für dich.«
    »Terry Painter«, meldete ich mich in der Erwartung, Alisons Stimme zu hören. Hatte sie gespürt, dass wir über sie gesprochen hatten?
    »Terry, hier ist Josh Wylie.«
    Mein Mut sank.
    »Es tut mir schrecklich Leid, dir das schon wieder anzutun«, sagte er, während ich das Kinn auf die Brust senkte und seine Worte stumm mitsprach. »Es ist etwas dazwischengekommen, deshalb muss ich unser Mittagessen leider absagen. Es tut mir wirklich Leid.«
    »Mir auch«, erwiderte ich aufrichtig. Dies war schon

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