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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bahamas hochgeklappt wurde.
    »Wusstet ihr, dass Alligatoren echt schnell sind?«, fragte Alison ohne speziellen Bezug, als wir später auf dem Weg nach Hause die 7 th Avenue hinunterschlenderten. »Wenn man von einem gejagt wird, sollte man immer im Zickzack laufen, weil ein Alligator sich nur geradeaus bewegen kann.«
    »Das werde ich mir merken«, sagte ich.
    »Was ist eigentlich der Unterscheid zwischen einem Alligator und einem Krokodil?«, wollte Lance wissen.
    »Krokodile sind fieser«, sagte Alison mit einem reizenden Lächeln. Sie streckte die Arme in den Himmel, als wollte sie nach dem Vollmond greifen, der bedrohlich tief über uns stand. »Ich sterbe vor Hunger.«
    »Du hast doch gerade erst gegessen«, erinnerte ich sie.
    »Das ist doch schon Stunden her. Ich bin völlig ausgehungert. Komm, wir gehen ins Boston’s.«
    »Ich bin dabei«, sagte Lance.
    »Geht ihr beiden. Ich bin wirklich erschöpft.«
    »Komm schon, Terry, du kannst uns doch jetzt nicht hängen lassen.«
    »Tut mir Leid, Alison. Ich muss morgen wirklich früh aufstehen. Was ich jetzt brauche, ist eine Tasse Kräutertee, ein wohltuendes Schaumbad und mein schönes bequemes Bett.«
    »Lass Terry doch gehen«, drängte Lance seine Schwester leise.
    »Habt ihr beiden euch gut amüsiert?« Alison starrte mich erwartungsvoll an, und der gelbe Mond spiegelte sich in ihren eifrigen Kinderaugen. »Drei Wörter.«
    »Ja«, antwortete ich wahrheitsgemäß und verwarf meine Bedenken wegen des Mannes mit dem roten Stirnband. Den ganzen Nachmittag hatte ich mich nach Kräften bemüht, ihn einfach zu vergessen, doch wie ein falscher Fuffziger tauchte
er immer wieder auf. »Ja, ja, ja«, sagte ich, sein Bild endgültig verdrängend.
    Alison umarmte mich stürmisch, und ein paar lose Strähnen ihres Haares kitzelten auf meiner Wange und schoben sich zwischen meine Lippen. » See you later, alligator «, sagte sie und küsste mich auf die Stirn.
    » In a while, crocodile «, erwiderte ich und sah den beiden nach, bis sie um die nächste Ecke verschwunden waren. Ich konnte Alison in der Dunkelheit lachen hören und fragte mich kurz, was sie so amüsant fand. Das Echo ihres Gelächters folgte mir die Straße hinunter und prasselte auf meinen Rücken wie spitze Steine.
    Was ist der Unterscheid zwischen einem Alligator und einem Krokodil , hatte Lance gefragt.
    Krokodile sind fieser , hatte Alison geantwortet.
    Mein Haus lag in vollkommener Dunkelheit. Normalerweise lasse ich mindestens ein Licht an, doch Lance hatte mich so eilig hinausgeführt, dass ich es offensichtlich vergessen hatte. Ich ging vorsichtig, den Blick auf den Boden gerichtet für den Fall, dass Bettys McCoy mit ihren Höllenhunden zurückgekehrt war, und lief dann eingedenk hungriger Alligatoren, die möglicherweise gefährlich weit vom Weg abgekommen waren, im Zickzack die Einfahrt hinauf.
    Ich fühlte mich gleichzeitig erleichtert und töricht – töricht erleichtert? -, als ich die Haustür aufschloss und das Licht anknipste. Mein Blick wanderte über das Sofa, die Stühle im Queen-Anne-Stil, das Gemälde mit den Pfingstrosen an der Wand neben dem Fenster, den Weihnachtsbaum in der Ecke mit den zahlreichen Geschenken darunter, die imposante Parade von Nikoläusen, Rentieren und Elfen, die Alison liebevoll zusammengestellt hatte.
    »Frohe Weihnachten, alle miteinander«, sagte ich, schloss die Tür und ging in die Küche. »Und ein besonders frohes Fest für Sie, verehrte Damen«, begrüßte ich die fünfundsechzig
Porzellanköpfe, die mich gleichgültig musterten. »Ich hoffe, ihr wart brav, während ich weg war.« Ich setzte Wasser auf, machte mir einen Ingwer-Pfirsich-Tee, den ich mit nach oben ins Bad nahm, wo ich mich nackt auszog und die Wanne voll laufen ließ. Dann stieg ich ins Wasser, glitt unter die Decke aus nach Jasmin duftenden Schaumblasen und lehnte meinen Kopf an die kühle Emaille.
    Ich weiß noch, wie mich meine Mutter einmal mit gespreizten Beinen in der Wanne ertappt hatte, das Wasser plätscherte gegen meine Schenkel, und ich kicherte kindlich ausgelassen. Die Prügel, die ich an jenem Abend bezog, waren schlimmer als jede andere, die sie mir im Laufe der Jahre verpasste, zum einen weil ich klatschnass war, zum anderen weil ich keine Ahnung hatte, wofür ich bestraft wurde. Ich flehte sie an, mir zu erklären, was ich falsch gemacht hatte, doch meine Mutter sagte kein Wort. Bis heute kann ich das Brennen auf meinem nackten Hintern spüren wie die Stiche von tausend

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