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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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Strähnen – aus ihrer Stirn. »Ich glaube, Sie tun sich nur ein wenig Leid, das ist alles.«
    »Ich bin eine dumme alte Frau.«
    »Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht.« Ich sah, wie ihre Augen in kindlicher Freude aufleuchteten. Für Geschenke sind wir nie zu alt, dachte ich und zog ein kleines Päckchen aus der Tasche meines Kittels.
    Sie mühte sich kurz mit der Verpackung ab, bevor sie mir das Geschenk zurückgab. »Packen Sie es aus«, wies sie mich ungeduldig an, und ich entfernte das Papier und enthüllte ein Paar leuchtend rot-grüne Weihnachtssocken.
    »Damit Ihre Füße schön warm bleiben.«
    Sie legte sich die Hand so verzückt aufs Herz, als hätte ich ihr Diamanten geschenkt. »Können Sie sie mir anziehen?«
    »Mit dem größten Vergnügen.« Ich hob die Decke an und
fühlte ihre eiskalten Zehen. »Wie ist das?«, fragte ich, nachdem ich ihr beide Socken übergestreift hatte.
    »Wundervoll. Einfach wundervoll.«
    »Frohe Weihnachten, Myra.«
    Ein Schatten wie von einem großen Palmwedel legte sich über ihr Gesicht. »Ich habe nichts für Sie.«
    »Ich habe auch nichts erwartet.«
    Der Schatten verschwand so schnell, wie er gekommen war, und ihre Augen leuchteten erkennbar auf. »Vielleicht habe ich noch ein bisschen Geld in meinem Portemonnaie.« Sie wies mit dem Kopf auf den Tisch. »Nehmen Sie sich, so viel Sie wollen, und kaufen Sie sich etwas Schönes von mir.«
    Mit einigen dieser einsamen alten Schachteln freundest du dich doch bestimmt an , hörte ich Lance sagen. Ich wette, es wäre nicht schwierig, sie dazu zu bringen, dich in ihrem Testament zu berücksichtigen und dir den Großteil ihres Vermögens zu überschreiben .
    Er hatte Recht, wie ich in diesem Moment erkannte. Es wäre überhaupt nicht schwierig.
    Und was, wenn ich ihr Geld hatte? Sollte ich mein Vermögen Alison überschreiben? War das der Plan?
    War ich die einsame alte Schachtel, von der er gesprochen hatte? War ich das eigentliche Ziel?
    Warum nicht? Ich hatte ein Haus, ein Gartenhaus und eine Lebensversicherung.
    Klingt doch wie ein ganz guter Plan , hörte ich Lance sagen.
    Alles läuft genau wie geplant , hatte Alison ihrem Bruder Thanksgiving am Telefon erklärt.
    Was war bloß mit mir los, fragte ich mich ungeduldig. Woher kamen solche Gedanken? Hatte ich nicht bewusst entschieden, solche Albernheiten ein für alle Mal zu vergessen?
    »Terry«, sagte Myra. »Terry, Liebes, was ist los?«
    Unvermittelt wurde ich ins Hier und Jetzt zurückgerissen. »Tut mir Leid. Haben Sie etwas gesagt?«
    »Ich habe Sie gebeten, mir mein Portemonnaie aus der Schublade zu holen.
    »Myra, Josh hat Ihr Portemonnaie schon vor Monaten an sich genommen. Wissen Sie das nicht mehr?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ein paar frische Tränen kullerten über ihre Wangen.
    »Sie vermissen Josh, was? Deswegen sind Sie so deprimiert.«
    Myra vergrub ihre Wange in ihrem Kissen.
    »Ich vermisse ihn auch«, sagte ich und versuchte dabei optimistisch und fröhlich zu klingen. »Aber er ist ja schon ganz bald wieder da.«
    Sie nickte.
    Ich sah auf meine Uhr. »In Kalifornien ist es erst fünf Uhr morgens. Ich bin sicher, er hat vor, Sie anzurufen, sobald er aufwacht.«
    »Er hat gestern Abend angerufen.«
    »Wirklich? Das ist ja toll. Wie geht es ihm?«
    »Gut. Es geht ihm gut.« Myras Stimme klang eigenartig flach, als wäre jemand mit einem Reifen darüber gerollt.
    »Myra, sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist? Tut Ihnen irgendwas weh?«
    »Nichts tut mir weh. Sie sind hier. Ich habe warme Füße. Was könnte ich mir sonst noch wünschen?«
    »Wie wär’s mit einem Stück Marzipan?« Ich zog eine kleine Marzipanbanane aus der Tasche.
    »Oh – ich liebe Marzipan. Woher wussten Sie das?«
    »Marzipanliebhaber erkennen einander immer.« Ich packte die Süßigkeit aus, schob sie zwischen ihre Lippen und spürte, wie sie daran mümmelte wie ein Eichhörnchen.
    »Köstlich.« Sie streckte ihre Hand aus. Ich beugte mich über sie und spürte ihre zitternden Finger an meiner Wange. »Danke, Liebes.«
    »Jederzeit.«

    »Terry …«
    »Ja?«
    Sie bewegte ihren Mund an mein Ohr. »Sie sind so lieb zu mir. Die Tochter, die ich nie hatte.«
    Sie sind so lieb zu mir , gab ich stumm zurück. Die Mutter, die ich nie hatte .
    »Ich möchte, dass Sie wissen, wie dankbar ich für alles bin, was Sie für mich getan haben.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich mag Sie sehr.«
    »Ich Sie auch«, flüsterte ich und vergrub meine Tränen in den weichen Fäden ihres silbernen

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