Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
sie. Jakob und sie mussten von hier verschwinden.
Sie machte ein paar Schritte rückwärts auf das Scheunentor zu. Jakob verstand. Er trat hinter sie und zog das Tor auf. Draußen prasselte lautstark der Regen herunter. Feuchte Kälte wehte in die Scheune herein. Noch zwei, drei Schritte, dann würden sie sich umdrehen und loslaufen. Sanna trat rückwärts in die Nacht hinaus, die Pistole auf die reglosen Männer gerichtet.
Draußen war es stockfinster. Noch ein Schritt. Jetzt fiel kalter Regen auf sie nieder. Der Hof hatte sich in ein Schlammfeld verwandelt. In der Scheune die Männer, die dastanden, als hätte jemand beim DVD -Player auf Pause gedrückt. Der Geruch von Zwiebeln und altem Schweiß mischte sich in die Nachtluft. Noch ehe Sanna begriff, was das zu bedeuten hatte, umklammerte sie Wolfgang Blank mit eisernem Griff.
Jakob schlug sofort auf ihn ein, doch der alte Mann war wie aus Stahl. Sanna wand sich erfolglos. Wolfgang Blank packte sie am Handgelenk. Er wollte ihr die Waffe abnehmen. Er war stark. Sanna hatte keine Chance. Im Augenwinkel sah sie Bewegungen in der Scheune. Die anderen lösten sich aus ihrer Starre. Sie rannten los, Mord in den Augen.
Ein wilder Schmerz durchfuhr ihren Körper. Sie schaffte es einfach nicht, sich gegen den alten Blank zur Wehr zu setzen. Wut durchströmte sie. Sie biss ihm in die Hand, zerrte an der Waffe, versuchte sich zu befreien. Doch alles war zwecklos.
Und dann, scheinbar ohne ihr Zutun, löste sich ein Schuss.
19
Regen fiel unentwegt auf sie nieder. Es waren kalte und schwere Tropfen, die erbarmungslos auf sie einschlugen. Tiefe Pfützen hatten sich überall auf dem Hof gebildet. Sanna lag auf der schlammigen Erde. Der Trainingsanzug sog das schmutzige Wasser auf. Sie rührte sich nicht. Der schwere Körper nahm ihr den Atem. Ein entfernter Donner war zu hören. Sie fragte sich, was passiert war.
Eine Hand packte ihren Arm. Zog sie unter dem leblosen Körper von Wolfgang Blank fort und half ihr auf die Beine. Es war Jakob. Die Männer aus der Scheune liefen ihnen entgegen. Auf Sanna wirkte es, als bewegten sie sich in Zeitlupe. Sie wischte sich das Regenwasser aus den Augen. Doch es war offenbar gar kein Regen in ihrem Gesicht, denn ihre Hand war plötzlich voller Blut. Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Jakob zog sie hinter sich her. Sannas Körper verselbständigte sich. Sie setzte zum Spurt an. Atmen. Laufen. Immer weiter. Sie blickte nicht zurück.
Langsam fand sie in die Realität zurück. Sie hatte Wolfgang Blank erschossen. Sie hatte einen Menschen getötet. Die Männer waren dicht hinter ihnen. Es waren drei, zählte man den Verletzten nicht dazu, der sicher noch in der Scheune lag. Sanna und Jakob umrundeten das Gebäude und stolperten augenblicklich in die undurchdringliche Dunkelheit. Sanna hielt sich an Jakob fest, der sie immer weiter zog. Sie betete, dass er sie sicher über das Gelände führte. Wenn sie jetzt ins Stolpern gerieten und stürzten, wäre alles vorbei. Hinter ihnen aufgeregte Stimmen. Motoren heulten auf. Scheinwerfer wurden eingeschaltet. Sie rannten unbeirrt weiter. Links und rechts wurden Autowracks und Sträucher in gleißendes Licht getaucht. Jakob packte Sanna unvermittelt und warf sie auf den Boden. Sie fiel der Länge nach ins nasse Gras. Er landete neben ihr und drückte ihren Kopf herunter. Einer der Scheinwerfer glitt über sie hinweg, ohne sie zu erfassen.
Sanna und Jakob waren sich ganz nah. Gesicht an Gesicht lagen sie auf dem durchweichten Rasen. Im Widerschein der Strahler konnte Sanna seine Züge sehen. Sie wusste nicht, wen sie vor sich hatte. Zwar war es nicht mehr der apathische Jakob, der er noch in der Scheune gewesen war. Aber etwas sagte ihr, dass es trotzdem nicht der Jakob war, den sie kannte.
»Jakob?«, fragte sie, als wolle sie sich vergewissern, ob er zu Hause war.
»Keine Angst, Sanna.« Er lächelte. »Ich bring dich von hier weg. Vertrau mir.«
Nein, das war definitiv nicht der schüchterne und scheue Jakob, der bei ihr untergetaucht war. Aber bevor sie Gelegenheit bekam nachzufragen, sprang er bereits wieder auf und zog sie hoch. Der Scheinwerfer tastete das Gelände hinter dem Wohnwagen ab. Jakob lief in die Dunkelheit hinein, und Sanna folgte ihm blind. Vor ihnen tauchte der hohe Eisenzaun auf. Die Zeit würde nicht reichen, um hinüberzuklettern. Aber dann sah sie einen Ahornbaum, dessen Äste über den Zaun ragten. Dort wollte Jakob also hin!
»Hier hoch!«, rief er. Er legte
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