Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Klinge. Der Mann mit dem Basecap sprach leise mit ihm, bis Jakob schließlich das Taschenmesser entschlossen an sich nahm und damit das Bett ansteuerte.
Sanna lag bewegungslos da. Sie spürte den kalten, feuchten Plastikbezug unter ihrer Haut. Atmete flach. Es gelang ihr nicht, den Blick von dem Messer abzuwenden. Sie musste sich irgendwie vorbereiten auf das, was folgen würde. Auf die Schmerzen. Auch wenn das unmöglich schien.
Jakob war jetzt über ihr. Das Messer hielt er wie ein kleines Schwert vor seiner Brust. Da bemerkte Sanna es. Seine Augen. Sie wirkten viel heller. Das vertraute Wasserblau war in ihnen zu erkennen. Jakob sah ihr direkt ins Gesicht. Seine Miene war unbewegt. Trotzdem. Sanna war ganz sicher. Er war es. Er war wieder zu sich gekommen. Er nahm das Messer in die Faust und streckte es in die Luft. Statt jedoch auf Sanna einzustechen, schwang er seinen Körper blitzschnell herum und stieß es mit aller Kraft einem der Männer auf dem Sofa in den Bauch. Ein abscheuliches Schmatzen, als die Klinge ins Fleisch drang, dann ein würgender Laut, der Mann sank zusammen, und plötzlich war alles erfüllt von durchdringenden Schmerzensschreien. Der Mann krümmte sich auf dem Boden.
Es folgte Totenstille. Alle schienen wie erstarrt. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Sanna hielt die Luft an. Dann brach Chaos aus. Hektisches Stimmengewirr, Männer sprangen auf, stürzten auf Jakob zu und umzingelten ihn. Das Taschenmesser fiel leise klirrend auf den Boden, und Jakob verschwand aus Sannas Blickfeld.
Sie riss instinktiv an ihren Ketten – und spürte keinen Widerstand. Die Kettenglieder rutschten mit leisem Rasseln über den Stein. Jakob hatte sie gar nicht festgebunden.
Sie setzte sich auf. Keiner achtete auf sie. Die Männer hatten sich allesamt auf Jakob gestürzt.
Sanna begriff. Jakob hatte das getan, um ihr die Flucht zu ermöglichen. Ganz egal, was nun mit ihm passieren würde.
Der Mann mit dem Basecap stellte sich über Jakob. Er zerrte die Pistole aus seinem Hosenbund hervor. Sanna sprang vom Bett. Sie musste handeln. Und zwar schnell. Sie ließ ihren Atem fließen. Sie visierte den Typen an. Er hatte recht gehabt mit dem, was er im Zelt über sie gesagt hatte. Ja, sie war sportlich. Und trainiert. Vor allem war sie schnell.
Sie sprintete auf ihn zu, holte mit dem Bein aus und trat zielgenau gegen sein Handgelenk. Er hatte sie nicht kommen sehen. Seine Reaktionen waren zu langsam. Die Pistole wurde aus seiner Hand in die Luft geschleudert. Nacktes Erstaunen in seinem Gesicht. Sanna nutze den Schwung des Tritts und preschte an ihm vorbei. Noch ehe er sie fassen konnte, war sie aus seiner Reichweite.
Die Pistole landete neben dem Scheunentor auf dem Betonboden. Sanna ließ sich fallen, rollte sich ab, schnappte nach der Waffe und umklammerte sie. Der Typ mit dem Basecap war ihr nicht gefolgt. Er stand einfach da und funkelte sie an. In seinen Augen spiegelte sich kalter Vernichtungswille. Sanna hatte ihn besiegt. Fürs Erste.
Jedoch hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie eine Waffe in der Hand gehalten. Sie wusste gar nicht, wie man damit umging. Die Pistole fühlte sich schwer und auf seltsame Weise widerspenstig an. Als würde sie ein Eigenleben führen. Sanna wollte dieses Ding nicht in der Hand halten, doch ihr blieb keine Wahl. Sie hoffte einfach, dass die Waffe entsichert war und sie nur abdrücken musste.
Sie richtete den Lauf über die Köpfe der Männer hinweg auf die gegenüberliegende Wand. Dann betätigte sie den Abzug. Ein kurzes heftiges Zucken in ihren Händen, ein ohrenbetäubender Lärm, dann war es vorbei. Augenblicklich wurde es still in der Scheune. Die Männer wandten sich ihr zu. Sie erkannten, was passiert war: Sanna hatte sich befreit und richtete eine Waffe auf sie.
Sie versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
»Lasst Jakob los«, rief sie. »Sofort.«
Sie klammerte sich an die Waffe. Der Typ mit dem Basecap stand ihr gegenüber, jeder Muskel schien gespannt. Er wartete darauf, dass sie einen winzigen Fehler machte. Dann konnte er zuschlagen. Die anderen Männer rührten sich nicht. Jakob trat aus ihrer Mitte hervor. Er ging langsam auf Sanna zu. Er nahm ihre Trainingsjacke vom Boden auf und gab sie ihr.
»Das hättest du nicht tun dürfen«, flüsterte er. »Warum bist du nicht einfach weggelaufen?«
Sanna antwortete nicht. Sie hielt die Männer im Blick. Dieses kleine Ding in ihrer Hand würde diese Ungeheuer nicht lange in Schach halten, das ahnte
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