Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
wir können sie also nicht orten. Sie sind wie vom Erdboden verschluckt. Als würden sie wissen, dass wir ihnen auf den Fersen sind.«
»Und könnte nicht die Tante von Sanna Marquart …?«
»Nein, das glaube ich nicht. Von ihr kam schließlich der Hinweis, dass die beiden auf dem Weg nach Düsseldorf sind. Ohne die Tante wären wir ihnen gar nicht auf die Spur gekommen.«
Renate war überzeugt gewesen, dass Jakobs psychische Auffälligkeiten die Folge von Traumatisierungen in seiner Kindheit waren. So wie es auch die Psychologin vermutete, mit der die Schulte gesprochen hatte. Renate hatte zudem geglaubt, Sanna und Jakob wären noch in Marienbüren. Böttger hatte das für verrückt gehalten. Doch jetzt nagten Zweifel an ihm.
Er nahm das Telefon und wählte Renates Nummer. Wenn Sanna in der Zwischenzeit ein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, dann am ehesten gegenüber ihrer Tante. Vielleicht wusste Renate ja längst, wo die beiden waren und ob es ihnen gut ging.
Das Freizeichen ertönte. Er wartete. Doch dann sprang die Mailbox an. Er beendete die Verbindung, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Nachdenklich betrachtete er seine Kollegin.
Die Schulte sagte: »Dann ist das Letzte, was wir von ihnen haben, das Bild aus der Überwachungskamera, richtig? Das von der Raststätte an der A2.«
»Ja, das stimmt«, meinte Böttger und fügte hinzu: »Falls sie das überhaupt waren.«
»Das Nummernschild war deutlich zu erkennen. Es gibt keinen Zweifel, würde ich sagen.«
»Das Auto war an der Raststätte, richtig. Da gibt es tatsächlich keinen Zweifel. Aber das muss nicht heißen, dass Jakob Blank oder Sanna Marquart auch da gewesen sind.«
»Sie meinen … Aber wer sollte so etwas tun? Ergibt das irgendeinen Sinn?«
»Ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung. Es ist nur so eine Idee.«
Er dachte an Renate. Sie war gekommen, um ihn um Hilfe zu bitten. Sie wollte, dass er den Hof der Blanks durchsuchte, weil sie überzeugt war, die beiden würden von den Blanks gefangen gehalten. Das hatte sich wie ziemlicher Schwachsinn angehört. Aber jetzt war er sich da nicht mehr sicher.
Er fragte sich, ob sie vielleicht auf eigene Faust ermittelte, um ihre Nichte zu finden. Zuzutrauen wäre es ihr.
»Was haben Sie jetzt eigentlich vor?«, fragte er die Schulte.
»Keine Ahnung. Nach Hause fahren. Mir unterwegs was vom China-Imbiss holen und das Dortmund-Spiel gucken. Wieso fragen Sie?«
»Ich würd gern noch mal nach Marienbüren rausfahren.«
»Wollen Sie zum Hof der Blanks?«
Er nickte. »Ich möchte mich nur ein bisschen umsehen. Wie sieht’s aus? Sind Sie dabei?«
Sie grinste. »Klar. Warum nicht?«
»Meinetwegen kann es sofort losgehen. Ich hole nur meine Sachen.«
Sie löschten das Licht und verließen den Raum. Die Schulte wartete im Flur, und Böttger ging eilig in sein Büro, um seine Jacke zu holen. Im Vorbeigehen warf er einen Blick auf sein Telefon. Er hoffte auf eine Nachricht von Renate. Aber da war nichts. Also nahm er seine Jacke und kehrte in den Flur zurück, wo die Schulte bereits auf ihn wartete.
»Sind Sie so weit?«, fragte sie.
»Ja, gehen wir.«
Gemeinsam marschierten sie zum Treppenhaus.
»Diese Psychologin«, wechselte er das Thema. »Hat die eigentlich auch was zu Jakobs Erinnerungslücken gesagt? Zu dem seltsamen Verhalten, das er immer wieder zeigt?«
»Ja. Sie meinte, das könnte eine posttraumatische Belastungsstörung sein. Aber da wollte sie sich nicht festlegen. Sie meinte …«
Die Schulte stockte. Vor ihnen stand eine Gestalt. Sie war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Es war Kriminaloberrat Brüse. Beide hatten ihn nicht kommen sehen. Böttger wunderte sich, den Vorgesetzten überhaupt im Haus anzutreffen.
Brüse, der sofort erkannte, dass etwas im Busch war, stellte sich ihnen in den Weg.
»Was haben Sie vor?«, fragte er. »Wohin denn so eilig?«
Die Schulte sprang ein. »Wir wollen einfach nur Feierabend machen. Wir gehen noch zum China-Imbiss und …« Sie sah zu Böttger auf. »… vielleicht trinken wir noch ein Bier?«
»Ja, mal sehen«, sagte er.
Die Antwort stellte Brüse nicht zufrieden. Er ahnte, dass sie nicht der Wahrheit entsprach, aber er konnte nichts machen.
»Wie auch immer«, meinte Böttger. »Schönen Feierabend, Herr Brüse.«
Er wandte sich bereits zum Treppenhaus, doch Brüse wollte sie offenbar nicht so einfach gehen lassen.
»Von welcher Psychologin war gerade die Rede?«, fragte er.
»Es ging um den Mordfall Blank«, sagte die
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