Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
würde die Zeit stillstehen. Er schwebte einfach in der Luft. Dann siegte die Schwerkraft, und er stürzte kopfüber in die Tiefe.
25
Ein kalter Wind fegte über den Parkplatz des Polizeipräsidiums. Der Herbst machte sich langsam bemerkbar. Böttger blickte zum Himmel. Diese eine sonnige Woche im Mai wäre dann wohl alles gewesen, womit der Sommer in diesem Jahr aufwarten würde. Missmutig zog er die Schultern hoch.
Er war der Held des Tages, zumindest wenn man den Zeitungen Glauben schenkte. Ein Pädophilenring war gesprengt worden. Gegen sämtliche Mitglieder der Gruppe würde Anklage erhoben werden. Dörrhoff war offenbar so etwas wie der Kopf des Rings gewesen, und besonders auf ihn stürzte sich die Presse. Ein angesehener Psychiater mit einem düsteren Doppelleben. Das taugte für Schlagzeilen, insbesondere, weil Dörrhoff sich selbst gerichtet hatte, um der Justiz zu entgehen.
Für Böttger fühlte sich das alles aber nicht wie ein Sieg an. Peter Ranke war ebenfalls tot. Er fiel als Zeuge und Verdächtiger aus. Auch Dörrhoff hatte seine Geheimnisse mit ins Grab genommen. Und der Mord an Maike Blank war weiterhin unaufgeklärt.
Er trat durch die Glastür und nickte dem Pförtner zu. Dann warf er einen Blick auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde bis zur morgendlichen Besprechung.
Jakobs Sprung vom Viadukt, das war etwas gewesen, das Böttger kalt erwischt hatte. Damit hatte er nicht gerechnet. Der Junge schien ein neues Leben anfangen zu wollen. Er hatte endlich alles hinter sich gebracht. Und dann so etwas. Die Sache war ihm mächtig an die Nieren gegangen.
In seinem Büro ließ er sich auf den Schreibtischstuhl fallen. In seinem Kopf rauschte es.
»Morgen, Herr Böttger.« Die Schulte stand plötzlich in der Tür. »Brüse will Sie sehen. Ich soll Ihnen Bescheid sagen.«
»Hat er gesagt, weshalb?«
Wenn es um die verfluchte Pressekonferenz ging, dann würde sich Böttger am besten gleich krankmelden.
»Nein. Nur, dass Sie sofort kommen sollen.«
Er seufzte. Es hatte wohl keinen Zweck. Dabei hätte er sich Brüse an diesem Morgen wirklich gern erspart.
»Gibt es Neuigkeiten aus dem Krankenhaus?«, fragte er.
»Nein. Jakobs Zustand ist unverändert. Er liegt im Koma. Die können im Moment nicht viel sagen. Nur, dass seine Chancen schlecht stehen.«
»Verstehe.« Er seufzte. »Im Mordfall Maike kommt er als Täter wohl sowieso nicht infrage. Nach allem, was wir jetzt wissen.«
»Es bleibt noch Volker Blank. Wir könnten seine Anklage vorbereiten. Ich meine, so beharrlich, wie der schweigt. Das ist fast so was wie ein Schuldeingeständnis. Ein Richter könnte das genauso sehen.«
Böttger hatte bereits darüber nachgedacht. »Mal abwarten, was die Staatsanwaltschaft dazu sagt. Eine schöne Lösung ist es aber nicht.«
Er lehnte sich zurück und stieß die Luft aus. »Was ist mit dem anderen Toten? Peter Ranke. Wissen wir was über den?«
»Seine Fingerabdrücke sind im System. Peter Ranke war nur sein Deckname, genau wie Sebastian Grund. Sein richtiger Name ist Falko Herbst.«
»Also war er vorbestraft«, sagte Böttger.
»Ja. Ein paar Gewaltdelikte, nicht weiter dramatisch. Aber dann war da noch was wegen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung , also Zwangsprostitution. Er war nur eine kleine Nummer. Trotzdem. Da saß er ein paar Jahre im Knast. Nach seiner Entlassung ist er dann nicht mehr auffällig geworden.«
»Falko Herbst.« Er dachte kurz nach. »Weiß man was über den Todesschützen?«
»Nein. Er hat vom Dach des Nachbarhauses aus geschossen. Keine Spuren, gar nichts. Die Sache ist jetzt in der Ballistik, mal sehen, was die dazu sagen. Aber hier glaubt keiner so richtig daran, dass etwas dabei rauskommt.«
»Das war ein Profi, richtig?«
»Davon sind alle überzeugt.«
Er stand auf. »Also gut. Dann werde ich mich mal auf den Weg zum Chef machen.«
Als die Schulte wieder verschwunden war, schloss er jedoch noch mal die Tür. Er wollte zunächst ein Telefonat führen. Ein Mitarbeiter der Buchhaltung, mit dem er vertraulich gesprochen hatte. Da gab es nämlich eine Sache, die Böttger nicht losließ: Jakob war aus dem Präsidium abgehauen. Das hätte nicht passieren dürfen.
Ein Gespräch, das er mit Sanna geführt hatte, ging ihm dabei nicht aus dem Kopf. Es handelte von psychischer Manipulation. Dieser Falko Herbst hatte großen Einfluss auf Jakob gehabt. Offenbar hatte er ihn dazu gebracht, am Stift Marienbüren von der Autobahnbrücke springen zu wollen. Sanna
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