Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Hinter den Fenstern von Peter Ranke tat sich nichts. Zeit verging. Renate wurde langsam unruhig. Jede Sekunde konnte die Haustür aufgehen, Ranke konnte herauskommen, sich ins Auto setzen und für immer verschwinden. Das Warten fiel ihr zunehmend schwer. Sie überlegte gerade, im Präsidium anzurufen und nachzufragen, da war die Straße plötzlich voller Autos. Die Invasion war lautlos und dauerte nur Sekunden. Ein Kleinbus, ein paar dunkle Limousinen, schließlich Streifenwagen. Die Straße war an beiden Enden abgesperrt, nirgends gab es mehr ein Durchkommen. Eine Rolltür flog auf, und schwer bewaffnete Männer und Frauen in gepanzerten Uniformen strömten ins Freie. Dann war da eine Frau mit kurzen Haaren und einer Sportjacke, die Renate bereits bei Pressekonferenzen im Polizeipräsidium gesehen hatte. Das musste Frau Schulte sein. Die Kommissarin folgte den Leuten vom Einsatzkommando durch die Haustür ins Gebäude. Dann waren sie fort. Die Tür fiel ins Schloss, und auf der Straße kehrte angespannte Ruhe ein.
Die türkische Verkäuferin war mit großen Augen ans Fenster getreten. Renate achtete nicht weiter auf sie, legte ein paar Münzen auf den Tisch und lief hinaus auf den Bürgersteig. Sofort wurde sie von einem Uniformierten abgefangen. Ein Mittvierziger mit Schnauzer und überheblicher Miene.
»Tut mir leid, aber ich muss Sie auffordern, in das Café zurückzugehen. Wir haben hier einen Polizeieinsatz.«
»Ich muss zu Frau Schulte. Die leitet den Einsatz. Ich habe sie gerufen, verstehen Sie? Frau Schulte wird mich …«
»Ich sage es noch einmal. Bitte gehen Sie zurück!«
Er legte die Hand auf seinen Schlagstock. Renate machte missmutig einen Schritt zurück. Auf der Türschwelle blieb sie stehen. Der Polizist warf ihr noch einen warnenden Blick zu, dann ging er weiter.
Sie wartete. Ein paar Minuten passierte nichts. Dann öffnete sich gegenüber die Haustür. Peter Ranke tauchte auf, flankiert von zwei Uniformierten. Sie hatten ihn. Renate triumphierte innerlich. Weitere Beamte folgten, dann erschien auch Frau Schulte wieder. Sie hob den Kopf, blickte über die Polizisten hinweg zur Straße und entdeckte Renate in der offenen Tür des Stehcafés. Sie hob die Hand und schenkte ihr ein Lächeln. Renate ignorierte jetzt den Streifenpolizisten und lief einfach drauflos.
»Ich habe gesagt, Sie sollen im Café bleiben!«, donnerte es hinter ihr. »Bleiben Sie stehen!«
Bevor der Mann sie packen konnte, schlüpfte Renate blitzschnell zwischen weiteren Beamten hindurch und steuerte auf Frau Schulte zu. Der Blick von Peter Ranke traf sie. Hass lag in seinen Augen. Wären da nicht die Polizisten und die Handschellen, würde er zweifelsfrei auf sie losstürmen. Renate rückte sich geziert die Bluse zurecht, senkte den Blick und ging weiter.
»Sie sind Frau Thun, richtig?«, sagte Frau Schulte und reichte ihr die Hand. »Ich kenne Sie aus den Pressekonferenzen. Ich muss sagen, ich hätte nicht gedacht, dass …«
Ein Knall unterbrach sie. Peter Ranke wurde mitsamt den ihn flankierenden Beamten nach hinten gerissen. Ein Schuss. Renate stolperte zurück. Dann war da Frau Schulte, die sie packte und hinter einen Steifenwagen zerrte. Renate rutschte aus. Einer ihrer Pumps blieb am Bordstein hängen, und sie fiel in die Arme der Kommissarin.
Rundherum stürzten die Beamten hinter ihren Autos in Sicherheit. Wie Kakerlaken im Badezimmer, nachdem das Licht angeschaltet wurde. Peter Ranke wurde hinter den Bus gezogen. Er bewegte sich nicht mehr. Auf seiner Stirn war ein kreisrundes dunkles Loch zu sehen.
Frau Schulte versicherte sich kurz, dass Renate unverletzt war. Dann wandte sie sich ab und verständigte sich mit dem Leiter des Einsatzkommandos. Sie gestikulierten wild herum. Der Schuss war offenbar von einem der Altbauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgegeben worden. Die beiden schmiedeten eilig Pläne, es wurden Befehle über Funkgeräte weitergegeben, dann verteilten sich die Einsatzkräfte in der Straße, offenbar, um die Jagd auf den Täter aufzunehmen.
Renate spürte ihr Herz klopfen. Sie blickte zur Rückseite des Busses, wo Peter Ranke abgelegt worden war. Sein Blick richtete sich starr in den Himmel. Einer der uniformierten Männer beugte sich über ihn und tastete nach seiner Halsschlagader. Seine Mimik war eindeutig: Peter Ranke war tot.
Sanna verließ die Toiletten und kehrte zu dem kleinen Gruppenraum zurück. Doch Jakob war nicht mehr da. Der Raum war leer. Verwundert blickte
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