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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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und schaltete es ein. Sie ließ den Blick über die Stuhlreihen wandern. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Es war beinahe wie früher.
    Allein hier zu sein fühlte sich schon an wie ein Triumph. Schließlich gehörte sie nur der Lokalredaktion von Marienbüren an, und Termine wie diesen nahmen normalerweise die Kollegen der Bielefelder Redaktion wahr, die für die Regionalzeitungen in Ostwestfalen die Hauptseiten mit Politik, Wirtschaft und Kultur produzierten. Es war ihr gelungen, alle davon zu überzeugen, weiterzumachen. Schließlich war sie diejenige gewesen, die von Anfang an dabei gewesen war. Und so ließ man ihr zunächst einmal den Fall, und sie schrieb nun für die überregionale Seite.
    Hier im überfüllten Saal des Polizeipräsidiums, das war fast wie in alten Zeiten. Natürlich würde sich dadurch nichts ändern. Es öffnete sich keine Tür in ihr altes Leben, so viel war ihr klar. Aber wenn sie am Ball blieb und solide recherchierte, wenn sie vielleicht sogar der Polizei einen Schritt voraus bliebe und sich durch kluge Berichte hervortat, dann könnte sie sich unter Umständen einen Platz in der Bielefelder Mantelredaktion erkämpfen. Oder sie würde zur Polizeireporterin befördert.
    Träumen konnte man ja ruhig ein bisschen. Denn irgendetwas musste passieren. Die Vorstellung, in dieser Position stillschweigend auf die Rente zu warten, war furchtbar. Sie war erst sechsundfünfzig. Ihr Leben war noch nicht vorbei. Irgendetwas musste noch kommen.
    Eine Seitentür öffnete sich, und wie bei einer Polonaise marschierten die ermittelnden Beamten und die Vertreter der Staatsanwaltschaft herein. Blitzlichter zuckten, die Unterhaltungen der Kollegen erstarben nach und nach und die Fernsehkameras folgten den Beamten, die vorne an den Tischen Platz nahmen, Stühle zurechtrückten, sich räusperten und Haltung einnahmen.
    Ganz links saß die Pressesprecherin, eine hübsche Mittdreißigerin mit streng zurückgebundenen Haaren. Sie war die einzige Frau in der Reihe, alle anderen waren Männer. Sie beugte sich übers Mikrofon und stellte die Beamten der Reihe nach vor. Renate schob sich die Brille zurecht und tippte Namen und Dienstrang der Anwesenden in ihr Laptop.
    »… und zu meiner linken«, beendete die Pressesprecherin die Vorstellung, »sitzt Jens Böttger, der leitende Ermittler der Sonderkommission.«
    Renate sah erschrocken auf. Sie blickte über den Rand der Brille hinweg. Jens Böttger. Der Kommissar blickte gleichmütig ins Publikum. Sie spürte ein Ziehen in der Brust. Er war es. Die Jahre hatten ihn ein wenig aus der Form geraten lassen, und sein Haar war grau und dünn geworden. Trotzdem war er es. Die gutmütigen Augen, das markante Kinn, die Grübchen auf den Wangen. Keine Frage.
    Unwillkürlich erlebte sie eine Achterbahnfahrt durch ihre Vergangenheit. Die romantischen Abende, das heftige Verliebtsein, die wilde gemeinsame Zeit, dann das Ende. Als wäre das alles eben erst passiert. Sie lächelte. Sie spürte die Aufregung. Das Glück von damals.
    Vorne wurde der Fall auseinandergenommen. Doch der Erdrutsch, das tote Kind, die ratlosen Ermittlungen, das alles rauschte an ihr vorbei. Irgendwann schüttelte sie die Erinnerungen von sich ab. Du musst dich zusammenreißen. Denk an deine Arbeit.
    Die Pressesprecherin präsentierte ein Foto, auf dem das Gesicht des Kindes rekonstruiert worden war. Es sollte dabei helfen, die Identität des Leichnams zu ermitteln.
    »Wir ermitteln in alle Richtungen«, sagte Jens Böttger da vorne. »Es sind sehr viele Kräfte im Einsatz, jedem Hinweis wird akribisch nachgegangen. Wir suchen dringend Zeugen, die das Kind kannten. Oder die etwas Verdächtiges am Hang beobachtet haben.«
    Eine Kollegin von der Süddeutschen Zeitung meldete sich zu Wort. »Sie sagen, das Mädchen ist erstickt. Kann man dann von einem Verbrechen ausgehen?«
    »Wir können im Moment nichts ausschließen. Viele Szenarien sind denkbar.«
    »Sie können also nicht sagen, ob es sich um einen Mord handelt?«
    Renate fragte sich, was passieren würde, wenn sie auch eine Frage stellte. Es wäre nicht ganz fair, Jens aus dem Konzept zu bringen. Außerdem waren alle wichtigen Fragen bereits gestellt worden. Wie es aussah, gab es in dieser Pressekonferenz nicht viel Neues zu erfahren. Renate würde ihre eigenen Recherchen starten. Sie war in Marienbüren zu Hause, das war ihr großer Vorteil gegenüber der Polizei. Sollte jemand etwas gesehen haben, würde sie es als Erste

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