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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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seine falsche Identität überzeugend darzubringen. Das war wirklich nicht seine Sorge. Es war eher die Nähe, die ihm Unbehagen verschaffte. Das Gefühl der Ordnung. Die Gemeinschaft.
    »Guten Abend, Herr Ranke«, säuselte die Frau an der Rezeption. Eine übergewichtige Mittvierzigerin, die ihre frustrierten Gesichtszüge unter zahllosen Schichten von Make-up versteckte. Sie nahm seinen Schlüssel vom Brett. »Hatten Sie einen schönen Tag? Ich hoffe, Sie haben interessante Häuser bei uns in Marienbüren gefunden.«
    »Ja, natürlich.« Er war hier der Immobilienmakler, der Objekte für zahlungskräftige Städter suchte. »Sie leben in einem so wunderschönen Ort. Wie könnte man hier nichts Passendes finden? Das ist fast unmöglich.«
    Sie kicherte, wobei sie ihre schlechten Zähne zeigte. Er verlor sich für einen Moment in der Vorstellung, sie an der Kehle zu packen und in die Kammer hinter der Rezeption zu zerren. Sie dort zu würgen, bis ihr lächerliches Leben vor seinen Augen aus ihrem Körper wich. Dann setzte er ein freundliches Lächeln auf und nahm den Schlüssel entgegen.
    »Vielen Dank«, sagte er und zwinkerte.
    »Wissen Sie schon, wann Sie morgen abreisen möchten, Herr Ranke?«
    »Direkt nach dem Frühstück, spätestens um acht. Es wäre nett, wenn Sie die Rechnung bereithalten.«
    »Natürlich. Sehr gern.«
    Sie wünschte ihm eine gute Nacht und lächelte ihm hinterher, bis er in den Fahrstuhl stieg und sich die Türen vor seiner Nase schlossen. Endlich war er allein. Er lockerte den Knoten seiner Krawatte. Sein Auftrag war erledigt. Er konnte dieses Kaff hinter sich lassen.
    Oben auf seinem Zimmer zog er die blickdichten Vorhänge zu, nahm den Aktenkoffer, legte ihn aufs Bett, ließ das Schloss aufschnappen. Da waren die Kasse, die Briefmarken und das Laptop aus dem Stift Marienbüren. Das würde er alles verschwinden lassen müssen. Aus einer Seitentasche zog er ein nagelneues Handy hervor. Er benutzte es zum ersten Mal. Die Nummer kannte er auswendig. Das Freizeichen ertönte, und dann meldete sich eine Stimme am anderen Ende.
    »Ich bin es«, sagte er. »Der Auftrag ist erledigt.«
    »Dann ist der Junge …«
    »Es ist alles erledigt«, unterbrach er den anderen.
    Besser keine Einzelheiten am Telefon. Jakob war tot, da war er sich sicher. Er hatte sich von der Brücke gestürzt. Ein sauberer Selbstmord. Keiner würde auf die Idee kommen, Fragen zu stellen.
    »Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen«, sagte er.
    Am anderen Ende ein schweres Seufzen.
    Es wurde still. Dann sagte die Stimme: »Danke. Mehr muss ich nicht wissen.«
    »Gibt es noch etwas, das ich für Sie tun soll?«
    »Nein. Ich … nein, das wäre alles. Vielen Dank.«
    »Dann mach ich jetzt Schluss. Auf Wiederhören.«
    Er beendete das Gespräch und warf das Handy zurück in den Koffer. Dann setzte er sich aufs Bett und massierte sich die Schläfen. Unten war leiser Jubel zu hören. Offenbar war für die richtige Mannschaft ein Tor gefallen.
    Er verstand die Skrupel seines Auftraggebers nicht. Jakob war zu einer Gefahr geworden. Man hätte ihn schon viel eher aus dem Weg räumen müssen. Er funktionierte nicht mehr wie früher. Es war immer schwerer geworden, ihn zu kontrollieren. Vielleicht lag das am Alter. Daran, dass er langsam erwachsen wurde. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie hatten sich für die sauberste Lösung entschieden.
    Er ging ins Bad, stellte die Dusche an und zog sich aus. Morgen früh würde er sich auf den Weg machen. Dann konnte er dieses gottverfluchte Kaff endlich hinter sich lassen. Und würde hoffentlich nie wieder zurückkehren.

6
    Der Lidl-Parkplatz in Marienbüren. Ein Fähnchen steckte an dieser Stelle in der Landkarte. Wie auch an anderen Stellen Fähnchen steckten, quer über die Region verteilt, überall dort, wo Zeugen das unbekannte Kind gesehen haben wollten. Das Fähnchen am Lidl war das erste gewesen. Der erste Hinweis auf die Existenz des toten Kindes.
    Eine ältere Frau aus Marienbüren hatte sich gemeldet, sie wollte das Kind in einem alten rostigen Kombi gesehen haben. Sie war sofort ins Präsidium gekommen, um den Polizisten alles darüber zu erzählen. Eine schweinsgesichtige Bauersfrau in einem altmodischen, kurzärmeligen Strickpullover. Sie hatte gütige Augen und trug offenkundige Herzlichkeit zur Schau, doch ihre energischen Bewegungen und die bestimmende Art, mit der sie redete, deuteten daraufhin, dass man sich besser nicht mit ihr anlegte.
    »Dieses arme kleine

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