Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
in der Rechtsmedizin. Ein Gefühl der Beklemmung erfasste ihn.
Die Durchsuchung war bereits in vollem Gange. Polizeiwagen standen in der Auffahrt, Beamte liefen herum, überall herrschte Betriebsamkeit. Böttger stieg aus dem Wagen und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Beate Heitbrink wurde gerade von einem Beamten aus dem Wohnwagen geführt. Sie wuchtete ihren schweren Körper die Stufen herunter. Der Jogginganzug war starr vor Dreck, die Haare hingen ihr fettig ins Gesicht. In ihrem aufgequollenen Gesicht spiegelten sich Angst und Verwirrung. Sie schien nicht zu begreifen, was passierte. Überall waren Polizisten eingedrungen. Der hohe Zaun bot keinen Schutz mehr.
Ihr Blick fiel auf Böttger, der mitten auf dem Hof stand. Offenbar erkannte sie ihn wieder, denn sie humpelte aufgeregt auf ihn zu, dicht gefolgt von dem jungen Uniformierten, der sie aus dem Wohnwagen geführt hatte.
»Nein, das dürfen Sie nicht!«, rief sie ihm entgegen. Panik presste ihre Stimme. »Sie dürfen das nicht! Sie müssen gehen! Verlassen Sie sofort unseren Hof.«
»Die Kollegen haben Ihnen doch den Durchsuchungsbeschluss gezeigt, oder?«, meinte Böttger. »Wir folgen hier einer richterlichen Anordnung.«
Sie schien gar nicht zuzuhören. »Ich darf keinen auf den Hof lassen, wenn ich alleine bin. Bitte, Sie müssen wieder gehen. Volker darf nichts erfahren.«
»Ihr Lebensgefährte wird gerade über die Durchsuchung informiert. Auf seiner Arbeitsstelle in Paderborn.«
Sie riss die Augen auf. »Er weiß es? Er weiß es schon?« Ihr Blick wanderte ängstlich über das Treiben auf dem Hof. »Wenn er hört, dass ich Sie reingelassen habe, bringt er mich um.«
»Sie mussten uns hereinlassen, Frau Heitbrink. Wir hatten einen richterlichen Beschluss. Verstehen Sie nicht? Sonst hätten wir uns gewaltsam Zutritt verschafft.«
»Oh Gott, oh Gott … Er darf nicht – … Sie müssen gehen, bitte. Sie müssen gehen.«
Böttger packte sie am Arm und zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. »Frau Heitbrink, hören Sie mir zu! Wir sind die Staatsgewalt. Wir haben das Recht, hier zu sein. Verstehen Sie?«
Sie duckte sich und sah unterwürfig zu ihm auf. Offenbar war sie es gewohnt, hart angegangen zu werden. Böttger seufzte und ließ sie los.
»Frau Heitbrink, Sie wissen doch, weshalb wir hier sind? Es geht um das Kind, das beim Erdrutsch aus der Erde gespült wurde. Dieses Mädchen, das hat hier gelebt, nicht wahr? War das vielleicht Ihr Kind?«
Sie zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Schmerz und Angst traten in ihren Blick. Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Nein«, stieß sie hervor. »Nein.«
»Frau Heitbrink. War dieses Kind Ihre Tochter?«
»Nein, ich hab doch gesagt …« Ihr Gesicht verzerrte sich, dann begann sie zu weinen. »Es gab kein Kind. Wirklich, hier gab es kein Kind. Lassen Sie uns in Ruhe. Bitte, gehen Sie.«
Sie begann zu zittern. Taumelte. Der junge Uniformierte, der die Frau aus dem Wagen geführt hatte, trat eilig vor und stützte sie. Er wechselte einen Blick mit Böttger.
»Es gab kein Kind«, heulte sie. »Das müssen Sie mir glauben. Es hat nie ein Kind gegeben.«
Böttger nickte dem Kollegen zu. »Bringen Sie sie zum Gruppenwagen. Wir werden später mit ihr reden.«
Er wandte sich ab und steuerte das Wohnhaus an. Die Schulte wartete bereits neben dem Eingang auf ihn. Sie streifte ihre Plastikhandschuhe ab und begrüßte ihn mit einem festen Händedruck.
»Wie sieht’s drinnen aus?«, fragte er.
»Die haben aufgeräumt. Spielzeug, Kleidung, alles, was auf ein Kind deuten könnte, ist weggeschafft.«
»Wie gründlich waren sie dabei?«
»Kann ich noch nicht sagen. Im Badezimmer war eine Bürste, in der hellblonde Haare stecken. Nur hat hier keiner blonde Haare.«
»Das tote Mädchen aber schon, oder?«
Sie nickte. Trotzdem muss das nichts heißen. Abwarten, was wir sonst noch finden. Aber wir fangen ja gerade erst an.«
Er deutete auf den Wohnwagen. »Wohnt die Heitbrink eigentlich da drin? Oder wohnt sie im Haus?«
»Da drin. Sie und ihr Freund. Im Haus wohnen nur Wolfgang Blank und die Kinder. Das heißt, wenn es denn tatsächlich zwei Kinder waren. Die beiden Turteltäubchen jedenfalls wollten wohl ihr eigenes Reich haben.«
Böttger betrachtete den Wohnwagen mit dem schäbigen Zeltvorbau und den Plastikstühlen. »Nicht gerade das Liebesnest, von dem ich träume«, meinte er.
»Ich würde Ihnen gerne was zeigen«, sagte die Schulte und deutete auf den Eingang. »Im Haus. Das dürfte Sie
Weitere Kostenlose Bücher