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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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interessieren.«
    »Natürlich«, sagte er und folgte ihr hinein.
    Der Flur war von einer nackten Glühbirne erleuchtet. Eine orangefarbene Tapete aus den 70ern hing an den Wänden, der Boden war mit braunem Linoleum ausgelegt. Es roch nach Schimmel und altem Essen. Neben einer Garderobe für Arbeitskleidung stand eine ausrangierte Küchenzeile, voller Werkzeuge, leerer Farbeimer und Putzlumpen.
    »Kommen Sie, hier lang«, meinte die Schulte und durchquerte den schmalen Flur zum Treppenaufgang. Böttger sah sich um. Die Decke war voller Wasserflecken, und die alte Tapete löste sich überall von den Wänden. Er warf den Blick durch eine offene Tür. Dahinter lag das Wohnzimmer. Billige Resopalmöbel und schwere Gardinen, die dringend gewaschen werden müssten. Ein Kollege arbeitete sich gerade durch den Inhalt einer Kommode. Schulte marschierte die Treppe hinauf.
    »Wo führen Sie mich hin?«, fragte er.
    »Nach oben, in das Zimmer von Jakob.«
    »Kaum vorstellbar, dass ein Teenager in diesem Haus lebt«, kommentierte er das.
    Im oberen Stockwerk befanden sich lose Bodendielen unter dem Teppich, die unter seinem Tritt nachgaben. Ein Gefühl, als ginge er auf offenem Meer über eine Reling.
    »Hier sind wir«, sagte die Schulte und öffnete eine Tür. »Treten Sie ein.«
    Vor ihm lag ein Jugendzimmer. Es sah genauso trostlos aus wie der Rest des Hauses. Fleckiger Teppichboden, ein viel zu kleines Fenster, ein billiges Bett und ein klobiger Schrank. Die Schulte deutete zum Schreibtisch, der in der Zimmerecke stand.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte sie.
    Die Wand am Schreibtisch war über und über mit Kinderzeichnungen tapeziert. Böttger runzelte die Stirn und trat näher.
    »Was zum Teufel …?«
    Es dominierten dunkle Farben. Schwarz und Rot. Die Motive waren martialisch. Überall Blut und Feuer. Menschen mit aufgerissenen Mündern. Das nackte Grauen. Messer, die aus Körpern ragten, brennende Haarschöpfe, abgetrennte Köpfe. Er sah Bilder von gehörnten Dämonen, dann von abstürzenden Flugzeugen und Leichenbergen. Brennende Häuser, schwarze Wolken, Feuerregen.
    »Der junge Hieronymus Bosch«, meinte die Schulte trocken. »Was eine Kindergärtnerin wohl dazu sagen würde.«
    Die Wucht der kindlichen Zeichnungen ließ Böttger nicht los. »Was ist mit diesem Jungen nur los?«, meinte er.
    »Na ja. Dass der nicht ganz frisch im Kopf ist, das ist ja nichts Neues. Ich hätte nur nicht gedacht …«
    Unten waren Stimmen zu hören. Es polterte. Jemand betrat das Haus. Die Geräusche wirkten aufgeregt.
    »Herr Böttger?«, rief einer. »Kommen Sie mal runter.«
    Die beiden verließen Jakobs Zimmer und gingen nach unten. Zwei Kollegen standen im Flur. Ein junger Beamter mit Ziegenbärtchen und einer Tätowierung, die sich unterm T-Shirt erahnen ließ, und daneben ein blasser Mittvierziger mit unübersehbarem Bauchansatz. An ihren fiebrigen Gesichtern konnte Böttger sofort erkennen: Sie hatten was Dickes gefunden.
    »Was gibt’s?«, fragte er. »Haben Sie etwas?«
    Der Tätowierte grinste breit. »Das kann man wohl so sagen. Wir haben den Hauptpreis gewonnen. Kommen Sie. Es geht nach draußen, zu dem Verschlag neben der Scheune.«
    Er drehte sich um und verließ das Haus. Böttger und die Schulte wechselten Blicke, dann traten sie ebenfalls ins Freie. Die beiden Kollegen überquerten den Hof und steuerten den ehemaligen Hühnerstall an. Die morsche Brettertür stand offen, dahinter klaffte ein dunkler Raum wie ein Schlund.
    »Kommen Sie rein!«, rief der Kollege. »Ihre Augen gewöhnen sich schnell an die Dunkelheit.«
    Böttger betrat den Verschlag. Feuchte, modrige Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach Altöl und Hühnerdreck. Von draußen fiel Zwielicht herein. Tatsächlich konnte Böttger in der Umgebung schnell Konturen ausmachen. Er trat näher. Im Zentrum des engen Raums standen Kisten. Fünf oder sechs Umzugskartons.
    »Die sollten wohl von hier weggebracht werden«, meinte der Tätowierte. »Aber da waren die nicht schnell genug.«
    »Was ist da drin?«, fragte Böttger.
    »Raten Sie mal.« Der Kollege zog sich die Plastikhandschuhe über und öffnete den erstbesten Karton. Böttger sah hinein. Es waren Kindersachen. Spielzeug, Stofftiere, eine Kinderdecke.
    »Da hinten gibt’s noch ein Kinderbettchen und einen Wickeltisch. Alles bereit zum Abtransport. Tja, ich würde sagen: Da waren wir schneller.«
    Böttger betrachtete fassungslos den Fund. Die Schulte war hinter ihm aufgetaucht und folgte seinem Blick.

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