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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Viertelstunde oder so saß ich nur mit gesenktem Kopf da und saugte die Hitze des Lärms, die Hitze der Menschen, die Hitze des Whiskys und des Biers auf … und schaute ab und zu mal zu der Video-Jukebox oder dem Fernsehschirm rüber, doch ohne wirklich irgendwas wahrzunehmen …
     
    Ich nehme überhaupt nie mehr wirklich was wahr.
    Außer Stacy.
    Ich will gar nicht ständig über sie nachdenken.
    Ich will mich gar nicht ständig an den Tag erinnern …
    Aber die Erinnerung verlässt mich nicht. Sie ist immer da … immer. In meinem Blut, meinem Fleisch, meinen Knochen, meinem Herzen …
    Sie ist ich.
     
    Und jetzt renne ich die Treppe hinauf, so schnell ich kann, und mein Herz pocht und ich schreie lauthals: »Stacy! STACY! STACY!«
    Immer noch keine Antwort.
    Als ich oben ankomme, ist die Tür zum Schlafzimmer geschlossen … und jetzt kann ich es spüren, riechen … ich fühle bereits, wie es mich umbringt. Die ganze Welt brummt in meinem Schädel, als ich die Tür öffne … und da liegt sie – mein Innerstes, meine Liebe, meine Unschuld, meine Braut …
    Aufgeschnitten auf dem Bett.
    Nackt.
    Abgeschlachtet.
    Ausgeblutet.
    Tot.
     
    »Du wolltest mich sprechen?«
    Ich schaute auf und sah die dunkelhaarige Kellnerin mit einem Tablett leerer Gläser vor mir stehen.
    »Genna Raven?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Ich bin John Craine.«
    »Ich weiß, wer du bist. Was willst du?«
    Von Nahem hatte sie ein erstaunlich hübsches Gesicht, das mich in seiner nahezu perfekten Symmetrie ein bisschen an Stacy erinnerte. Doch während Stacys Teint genauso perfekt wie ihr Gesicht gewesen war, wirkte Gennas Haut schrecklich – pockennarbig und von Mitessern und Akne übersät …
    »Ich hab nicht die ganze Scheißnacht Zeit«, sagte Genna. »Sagst du mir jetzt, was du willst, oder nicht?«
    »Ja, tut mir leid«, antwortete ich mit einem Lächeln. »Ich wollte mit dir über Anna Gerrish reden.«
    »Nee, echt nicht«, sagte sie bestimmt und schüttelte den Kopf. »Keine Chance.«
    »Nur ein paar Fragen, mehr nicht.«
    »Bist du von der Zeitung?«
    Jetzt schüttelte ich den Kopf. »Ich bin Privatdetektiv.«
    »Tja … ich sitz nämlich schon genug in der Scheiße, weil ich mit den Zeitungen über Anna geredet habe.«
    »Wieso das?«
    Sie starrte mich an. »So was tut man hier nicht. Man redet nicht mit der Presse, man redet nicht mit den Bullen, egal was. Man hält sein Maul und fertig.«
    »Und wieso hast du trotzdem mit der Presse geredet?«
    Sie zuckte die Schultern. »Weiß nicht … es kam mir einfach …«
    »Wart ihr befreundet, Anna und du?«
    »Scheiße, nein. Anna hatte keine Freunde …«
    »Warum dann?«
    »Hör mal«, sagte sie und warf einen Blick über die Schulter in Richtung Tresen. »Ich kann jetzt nicht reden, klar? Aber in ’ner Viertelstunde hab ich Zigarettenpause. Ich bin hinten im Raucherbereich.«
    Raucherbereich? , dachte ich, als sie sich umdrehte und zur Bar zurückging. Es gibt einen Raucherbereich? Kacke. Und wieso hängen die dann kein verdammtes Schild oder irgendwas auf?
    Ich ging zum Tresen und holte mir noch ein Bier, und nachdem ich eine Weile im Pub herumgelaufen war, fand ich den Raucherbereich. Er war nichts weiter als ein Hof hinter dem Pub, von Backsteinmauern umgeben, mit ein paar Plastiktischen und -stühlen. Die Aschenbecher auf den Tischen waren voll Regenwasser und Zigarettenstummeln und die eine Seite des Hofs grenzte an die Toiletten, sodass es überall nach Pisse, durchgeweichten Zigaretten und Rauch stank. Außerdem regnete es immer noch. Aber ich denke, wer so dämlich ist zu rauchen, dem macht es auch nicht viel aus, in Regen und Kälte draußen auf einem Hof zwischen Backsteinmauern zu stehen, wo es nach Pisse stinkt …
    Es waren nur noch drei andere Leute draußen: ein Mann mit strähnigen Haaren und Kampfjacke, ein jüngerer Typ, der mich an diesen Filmkritiker Mark Kermode erinnerte, aber aufgepumpt mit Steroiden, und schließlich ein junges Mädchen, in deren Haut das Leben auf dem Strich seine Spuren hinterlassen hatte. Sie standen alle ganz hinten im Hof zusammen und aus ihren Gesten und ein paar mitgehörten Worten konnte ich mir zusammenreimen, dass das Mädchen versuchte, bei den Männern Drogen zu kaufen, aber nicht genug Geld hatte. Anscheinend versuchte sie die beiden zu überreden, sie morgen zahlen zu lassen … und die zwei Männer versuchten umgekehrt sie zu überreden, dass sie nur schnell mit die Straße runter zu ihrem Auto kommen müsse, wo

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