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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sie sofort in Naturalien bezahlen könne. Ihre Antwort darauf lautete: »Das soll wohl ein Witz sein … so dringend brauch ich das Zeug auch wieder nicht, du langhaariges Arschloch.« Und der mit den strähnigen Haaren sagte etwas zu ihr, was ich nicht ganz verstand, worauf sie ihm spielerisch gegen den Arm boxte, und dann lachten sie alle …
    Seltsamerweise wirkte das irgendwie okay.
    Es war natürlich nicht okay … nichts daran war okay . Doch es war auch wieder nicht so beschissen, wie es hätte sein können, und trotz Kälte und Regen und der Hässlichkeit ringsum fühlte ich mich geradezu wohl. Es war ein relativ ruhiger Ort. Nicht so heiß, nicht so voll. Selbst der Regen ließ langsam ein bisschen nach und war jetzt nur noch ein nebelfeines Nieseln. Wenn ich mich dicht an die Seitenwand des Hofs stellte, spürte ich ihn fast gar nicht. Während ich dort stand und mein Bier trank und eine zweite Zigarette rauchte, trabte das Mädchen irgendwann an mir vorbei, mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht, die Hände tief in den Manteltaschen. Kurz darauf folgten die beiden Männer. Der Mark-Kermode-Verschnitt ging bloß an mir vorbei zurück in den Pub, doch der Typ mit den strähnigen Haaren blieb plötzlich neben mir stehen.
    »Brauchste was?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, alles in Ordnung, danke.«
    »Sicher?« Er lächelte und ließ eine Lücke in den Vorderzähnen sehen. »Ich hab Ecstasy, H, Crack, Gras – was du willst.«
    »Hast du auch was, das mich in der Zeit zurückbringt?«, hörte ich mich sagen.
    Er runzelte die Stirn. »Was ist los?«
    »Schon gut«, sagte ich lächelnd. »Ich hab nur –«
    Seine Augen wurden kalt und er trat auf mich zu. »Willste mich verarschen, du Scheißkerl?«
    Ich rührte mich nicht und sagte auch nichts, sondern starrte ihn nur an und überlegte für einen seltsamen Moment, was er wohl tun würde, wenn ich ihm jetzt ins Gesicht spuckte. Wie weit würde er gehen? Würde er mir bloß eine reinhauen? Mich verprügeln? Mir ein paar Knochen brechen? Mich erstechen? Mich erschießen? Mich umbringen?
    »Was grinst du Arschloch so?«, hörte ich ihn sagen.
    Und dann eine andere Stimme. »Fitch? Verdammte Scheiße, lass ihn in Ruhe …« Und ich schaute mich um und entdeckte Genna Raven, die ihre dringend nötige Zigarette rauchte. Der Ton ihrer Stimme und der Ausdruck in ihrem Gesicht erinnerten an eine überdrüssige Schulleiterin, die sich schon zum dritten Mal in einer Woche mit irgendeinem elenden Mobbing-Arschloch herumschlagen musste.
    »Hi, Genna«, sagte Fitch und lächelte auf einmal. »Du kennst den Typen?«
    »Warum gehst du dir nicht einen Drink holen, Fitch«, schlug sie vor.
    »Zahlst du?«, antwortete er grinsend.
    Sie starrte ihn an.
    Er wandte sich wieder zu mir um, immer noch grinsend, und sagte: »Wir sehen uns später, klar?«
    Und dann ging er zurück in den Pub.
    »Tut mir leid«, sagte Genna. »Aber er hätte dir nichts getan. Ist nur ein Sprücheklopfer. Wie die meisten.«
    Ich lächelte sie an.
    Sie ließ die Zigarette auf den Boden fallen und zündete sich eine neue an.«
    »Dann … bist du also Privatdetektiv?«
    Ich fasste in meine Tasche und reichte ihr meine Visitenkarte. Sie warf einen kurzen Blick darauf, dann steckte sie die Karte hinten in die Hosentasche.
    »Für wen arbeitest du?«, fragte sie.
    »Ich fürchte, das darf ich dir nicht sagen«, erklärte ich. »Du weißt schon, Mandantenschutz.«
    »Für Annas Mum, stimmt’s?«
    Ich lächelte, sagte aber nichts. Genna zog an ihrer Zigarette. »Also, entweder ist es ihre Mum oder ihr Dad, und der dreckige alte Arsch will bestimmt nicht, dass jemand in seinen Angelegenheiten rumstochert, deshalb kann es nur ihre Mum sein.«
    Ich zündete eine Zigarette an. »Dann kennst du also Annas Vater?«
    »Nicht persönlich, nein. Aber ich kenn diesen Typ.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das erzählen soll …«
    »Du musst nicht, wenn du nicht willst«, versicherte ich ihr. »Es ist deine Entscheidung, was du mir sagst. Aber wenn du glaubst, es könnte mir helfen, Anna zu finden …«
    Sie seufzte. »Keine Ahnung, ob es die Wahrheit ist. Was weiß ich, vielleicht hat sie es bloß erfunden …«
    »Was hat sie erfunden?«
    »Die Sache mit ihrem Alten … wie er sie immer gefickt hat und so, du weißt schon …«
    »Er hat sie missbraucht?«
    »Klar … Anna meint, das ging verdammt viele Jahre lang so. Fing an, als sie noch ein

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