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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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kleines Kind war, und der dreckige Wichser hat’s immer wieder getan, bis sie … ich weiß nicht, bis sie von zu Hause weg ist, denk ich mir.«
    Ich nahm einen kräftigen Schluck Bier. »Wann hat Anna dir das erzählt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, ist schon ’ne Weile her. Irgendwann nachts, nach der Arbeit. Jemand hatte Geburtstag und wir sind noch alle auf ein paar Drinks und so hiergeblieben … Anna war bei solchen Sachen sonst nicht dabei, aber in der Nacht war sie ziemlich von der Rolle. Ich hab sie in der Toilette gefunden, wie sie sich die Augen ausgeheult hat … muss gegen zwei, drei Uhr morgens gewesen sein, und als ich sie fragte, was los ist, hat sie angefangen, mir alles zu erzählen. Sie hat nichts ausgelassen, hat mir echt alles erzählt … und ich mein wirklich alles . Das arme Luder.« Genna zog an ihrer Zigarette und blies eine lange Rauchfahne aus. »Kein Wunder, dass die so im Arsch war.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, ihr ganzes Leben, weißt du … alles. Sie war ein totales Wrack, echt.«
    »Wie lange war sie schon auf Heroin?«
    Genna sah mich an. »Du weißt es?«
    Ich nickte.
    »Noch nicht so lange«, sagte Genna. »Ein paar Jahre vielleicht.«
    »Wie viel hat sie gebraucht?«
    Genna zuckte die Schultern. »Sie hat immer versucht aufzuhören und es manchmal auch wirklich fast geschafft. Aber dann war sie wieder drauf und hat immer mehr gebraucht.«
    »Weißt du, von wem sie es hatte?«
    »Könnte jeder gewesen sein. Ist nicht schwer, hier in der Gegend Zeug zu besorgen.«
    »Was ist mit Geld? So was mit einem Kellnerinnenlohn zu finanzieren stell ich mir schwer vor.«
    »Verdammt wahr.«
    »Also, wo hatte Anna das zusätzliche Geld her?«
    Genna zuckte die Schultern. »Keine Ahnung …«
    »Hat sie irgendwas mit dem Modeln verdient?«
    Genna lachte nur.
    »Und was ist mit Prostitution?«, fragte ich.
    Genna hörte auf zu lachen. »Davon weiß ich nichts …«
    »Jetzt sag schon.«
    Sie zuckte die Schultern.
    »Komm, Genna«, sagte ich sanft. »Ich muss es einfach nur wissen, das ist alles.«
    Sie sah mich an. »Anna war keine Hure, okay? Ich meine, sie hat es nicht die ganze Zeit gemacht oder so. Sie … na ja, sie brauchte halt manchmal das Geld. Weißt du, viele von denen tun es …«
    »Von den Junkies?«
    »Ja … das ist die einzige Möglichkeit, wie sie genug Geld zusammenkriegen.«
    Ich nickte. »Hat Anna zum Beispiel für eine Escort-Agentur oder so was gearbeitet?«
    »O Gott, nein. Sie hat nur … na ja, manchmal hat sie hier drinnen einen abgeschleppt, aber ich glaub, meistens ist sie einfach auf den Strich gegangen.«
    »Hat sie das nach der Arbeit gemacht?«
    »Ja …«
    »Glaubst du, dass sie in der Nacht, als sie verschwand, auch dorthin gegangen ist?«
    »Wahrscheinlich. Ich meine, wir wussten es alle, verstehst du … nach der Arbeit donnerte sie sich auf der Toilette auf, hat sich da wahrscheinlich auch gleich einen Schuss gesetzt, und dann den Mantel an und nichts wie weg.«
    Plötzlich schwang die Tür zum Raucherbereich auf. Psychobilly beugte sich heraus und rief: »Verdammte Scheiße, Genna, wie lange brauchst du denn noch?«
    »Ja, schon gut«, rief sie zurück. »Ich komm gleich.« Als Billy wieder verschwand, ließ sie die Zigarette auf den Boden fallen und sagte zu mir: »Ich muss gehen.«
    »Hast du gesehen, ob Anna jemand gefolgt ist in dieser Nacht?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Hatte sie einen Freund?«
    »Ich glaub nicht.«
    »Einen Zuhälter?«
    Genna schüttelte den Kopf. »Anna hatte niemanden. Sie kannte schon eine Menge Leute – Arbeitskollegen, Gäste, Dealer – und es war auch nicht so, dass sie mit denen nicht klarkam oder dass die Leute sie nicht mochten … ich meine, sie war nicht einsam oder unsozial oder so. Sie war nur … keine Ahnung …«
    »Eine Einzelgängerin?«, schlug ich vor.
    Genna nickte. »Ja … sie hat in ihrer eigenen kleinen Welt gelebt, in ihrer eigenen kleinen Luftblase … verstehst du, was ich meine? Man konnte mit ihr zusammen sein, mit ihr reden, eine Nacht mit ihr zusammenarbeiten und alles schien bestens … aber danach, später, war dort, wo eigentlich die Erinnerung an sie sein sollte, bloß eine leere Stelle in deinem Kopf.« Genna sah mich an. »Kannst du damit was anfangen?«
    »Ja«, sagte ich langsam. »Das kann ich.«
    Sie schniefte und seufzte. »Hör zu, ich muss jetzt wirklich gehen.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Und danke, du weißt schon … danke, dass du dir

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