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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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hat Heroin genommen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Ich schenkte ihm ein halbes Lächeln. »Ich bin Detektiv. Ich werde dafür bezahlt, Dinge herauszufinden. Das ist mein Job.«
    Bishop reagierte nicht auf meine Schnodderigkeit, er starrte mich nur einen Augenblick an, mit unbewegtem Gesicht. Dann fragte er: »Haben Sie das ihren Eltern erzählt?«
    »Nein.«
    Er nickte. »Müssen die auch nicht wissen.«
    »Okay«, stimmte ich zu. »Aber das bedeutet doch ganz klar –«
    »Es bedeutet überhaupt nichts. Sie hat Heroin genommen … na und, verdammte Scheiße? Haben Sie wirklich geglaubt, wir wissen das nicht?«
    Ich starrte ihn an. »Sie wussten es?«
    »Scheiße, ja.«
    »Dann nehme ich an, Sie wussten auch –«
    »Dass sie auf den Strich ging? Ja, wir wissen auch das.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Und Sie glauben trotzdem noch, dass ihr nichts zugestoßen ist?«
    »Okay, hören Sie«, sagte er ungeduldig. »Ich erkläre Ihnen, wie es ist: Anna war nicht das nette junge Mädchen, für das ihre Mutter sie hält, sie war nicht das angehende Model, sie war überhaupt nichts. Sie war nur eine von diesen Junkie-Schlampen, die ihre Möse verkaufen, um high zu werden. Klar? Das ist die Realität. Mädchen wie sie verschwinden ständig. Sie treffen einen neuen Dealer, einen neuen Zuhälter … oder vielleicht finden sie einen Freier, der glaubt, sie aus ihrem verdorbenen Leben retten zu können … was auch immer, Scheiße noch mal, verstehen Sie?« Bishop sah mich an. »Wenn wir versuchen wollten, jedes Mädchen dieser Art aufzuspüren, hätten wir keine Zeit mehr, was anderes zu tun.«
    »Dann … heißt das also im Klartext, Sie suchen gar nicht ernsthaft nach ihr?«
    »Ich werd Ihnen erklären, was das heißt«, antwortete er und seine Stimme bekam jetzt einen härteren Unterton. »Die Gerrishs müssen die Wahrheit über ihre wunderbare Tochter nicht wissen, denn das macht für sie alles noch schlimmer. Wozu soll das gut sein? Wenn ich Sie wäre, würde ich meine Zeit und die aller andern nicht damit vergeuden, irgendwem hinterherzuspionieren, der gar nicht gefunden werden will. Klartext genug, John? Warum suchen Sie sich also für die nächsten paar Tage nicht irgendwas anderes, erklären den Gerrishs danach, dass Sie alles versucht haben, und schicken ihnen die Rechnung.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lächelte mich eiskalt an. »Wie klingt das?«
    »Es klingt für mich wie eine Warnung, dass ich mich raushalten soll«, antwortete ich.
    Bishop lachte. »Wenn ich Sie warnen wollte, wüssten Sie das.«
    »Ja? Was würden Sie tun? Jemanden losschicken, der mich im Dunkeln zusammenschlägt?«
    Das Lächeln blieb in seinem Gesicht, aber ich wusste, es kostete ihn Mühe, und nach einer Weile gab er es auf, schniefte schwer und schaute wieder auf seine Uhr. »So«, sagte er und stand auf. »Ich denke, das war’s dann so ziemlich.« Als er um den Schreibtisch herumkam, erhob ich mich, um ihm die Hand zu geben, doch er hatte inzwischen genug von mir und sah mich nicht einmal an, während er zur Tür ging. Ich blieb eine Weile stehen – knöpfte die Jacke zu, wischte unsichtbaren Staub von der Hose –, nur um ihn zu ärgern, dann schlenderte ich hinüber zur Tür.
    Ehe Bishop sie öffnete und mich hinausbegleitete, reichte er mir seine Visitenkarte. »Meine Handy- und meine Büronummer«, sagte er mit merkwürdig neutraler Stimme. »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie was rausfinden. Einverstanden?«
    Als ich nickte und seine Karte in die Tasche schob, schaute er mich ein letztes Mal an, und nur für einen Augenblick – einen kurzen, unkontrollierten Moment – sah ich, wie in seinem Innern ein intensiver Schmerz, eine tiefe Trauer brannte. Er öffnete die Tür und führte mich hinaus, wo DC Wade bereits auf mich wartete, um mich zum Ausgang zu bringen, und ich fragte mich, ob das, was ich gerade gesehen hatte, Mick Bishops wahres Ich war oder nur eine flüchtige Spiegelung meines eigenen zerrütteten Lebens.
     

10
    Während ich DC Wade über den Gang zum Fahrstuhl folgte, war ich in Gedanken noch halb bei Mick Bishop – bei den Dingen, die er gesagt, und denen, die er nicht gesagt hatte – und halb hielt ich Ausschau nach jemandem mit einem Totenkopfring am Finger. Noch immer war ich nicht hundertprozentig sicher, ob Bishop etwas damit zu tun hatte, dass ich zusammengeschlagen worden war. Doch seine Reaktion auf meine Anspielung und die Tatsache, dass er nicht gefragt hatte, woher meine

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