Schlafende Geister
Mord an Ihrer Frau gegeben hat«, sagte er. »Wir suchen den Täter noch. Wir haben nicht aufgegeben.«
Ich schaute zurück, hielt seinem Blick stand … sagte nichts, gab nichts preis.
»Irgendwann werden wir ihn finden«, sagte er und sein Blick ließ meinen nicht los. »Es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Okay …«, sagte ich vage, »das ist gut zu wissen. Aber deshalb bin ich nicht hier.«
Bishop sagte einen Moment nichts, sondern starrte mich nur weiter an, seine dunklen Augen waren nicht zu entziffern … und dann, mit einem überflüssigen Schniefen und einem kurzen Kopfnicken, richtete er sich wieder auf, schaute auf seine Uhr und kam zur Sache. »Also«, sagte er geschäftig, »Anna Gerrish. Ich nehme an, Sie haben mit ihrer Mutter gesprochen?«
»Ich kann nicht –«
»Ja, ja«, sagte er ungeduldig. »Diese Scheiße mit der Mandantendiskretion brauch ich nicht. Nehmen wir einfach mal an, rein hypothetisch natürlich, dass Sie für Helen Gerrish arbeiten, in Ordnung? Sie haben mir nichts gesagt, Sie haben ihr Vertrauen nicht verletzt. Okay?«
Ich nickte.
»Gut. Was also wollen Sie von mir?«
»Na ja, ich weiß, Sie dürfen mir keine Details über den Fall erzählen –«
»Was für Details wollen Sie denn?«
Ich sah ihn etwas überrascht an.
Er schüttelte den Kopf. »Es gibt verdammt noch mal keinen Fall, John. Das ist das einzige Detail, das Sie brauchen. Es ist nichts weiter passiert. Anna Gerrish trifft einen Kerl, der ihr die Welt verspricht, und sie hauen zusammen ab, irgendwohin, in seinem aufgemotzten Golf GTI. Warten Sie ein paar Monate, dann kommt sie wahrscheinlich wieder nach Hause gekrochen.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, bin ich. Das kommt andauernd vor.« Er zuckte mit einer Schulter. »Okay, vielleicht liege ich in den Einzelheiten falsch – vielleicht ist sie auch allein oder mit einer Freundin abgehauen oder sie hat einen älteren Mann mit einem vernünftigen Volvo oder so getroffen – aber es läuft doch alles auf dasselbe hinaus. Wir haben jede Woche mindestens zwei oder drei dieser angeblich verschwundenen Personen – meine Tochter ist verschwunden, mein Sohn ist weg, mein Mann, meine Frau. Das Problem ist, die Leute können einfach nicht akzeptieren, dass jemand, den sie seit Jahren gekannt, vielleicht sogar geliebt haben, plötzlich beschließt, dass es reicht.« Bishop sah mich an. »Das ist alles, was es dazu zu sagen gibt, John. Glauben Sie mir. Anna Gerrish lebt irgendwo gesund und munter. Es gibt keinen wie auch immer gearteten Hinweis, dass es anders sein könnte.«
»Was ist mit dem Bericht in der Hey Gazette ?«
»Was soll damit sein?«
»Na ja, wenn Sie sagen, dass so was immer wieder passiert – wie kommt es dann, dass die Zeitung ausgerechnet über Annas Verschwinden berichtet?«
»Weil ihre Mutter sie ständig genervt hat, deshalb. Und weil Anna einigermaßen attraktiv war.« Bishop zuckte die Schultern. »Die Presse kümmert sich doch einen Scheiß drum, ob an einer Geschichte was dran ist oder nicht … solange sie sich verkaufen lässt, das ist das Einzige, was zählt. Und hübsche Mädchen verkaufen sich immer.«
»Aber wenn Anna gesund und munter irgendwo lebt, wieso hat sie sich dann nicht mal bei ihrer Mutter gemeldet?«
»Wer weiß? Vielleicht hasst Anna sie, vielleicht will sie, dass ihre Mutter leidet …« Bishop zuckte wieder die Schultern. »Was auch immer der Grund ist, er geht uns nichts an. Anna ist eine erwachsene Frau. Sie kann tun, was sie möchte. Wenn sie nicht will, dass jemand weiß, wo sie ist, ist das einzig und allein ihre Sache.«
»Haben Sie die Wohnung durchsucht?«
Bishop seufzte. »Ja, wir haben ihre Wohnung durchsucht.« Langsam sprach er mit mir wie mit einem nervenden Kind.
Ich sagte: »Es scheint dort nichts zu fehlen. Ich meine, ich hatte den Eindruck, dass sie weder Kleider noch Toilettensachen oder sonst was mitgenommen hat.«
»Woher wollen Sie wissen, dass nichts fehlt, wenn Sie keine Ahnung haben, was vorher da war? Und abgesehen davon … na ja, Sie waren ja in der Wohnung, dann müssen Sie auch gesehen haben, was für Sachen sie hatte. Für diesen Mist kommt sie bestimmt nicht zurück, wenn sie gerade ein Ritter in glänzender Rüstung in den siebten Himmel entführt hat.« Bishop sah mich mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit im Gesicht an. »Gut«, sagte er, »wenn das alles ist …«
»Wussten Sie, dass sie Heroin genommen hat?«
Er erstarrte für einen Moment. »Was?«
»Anna … sie
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