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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Polizeirevier.
    Wir nahmen den Fahrstuhl in den zweiten Stock, gingen einen weiteren Gang entlang, dann wies mich DC Wade in einen Raum.
    »Nehmen Sie Platz, Mr Craine«, sagte er. »Der DCI kommt gleich.«
    Er ging hinaus, schloss die Tür hinter sich und ließ mich in dem Raum allein. Ich war zwar noch nie in einem Verhörraum der Polizei gewesen, aber ich hatte genügend Krimis im Fernsehen gesehen, um zu erkennen, dass ich in einem saß: grauweiße Wände, einfacher Tisch, zwei harte Stühle, ein Aufnahmegerät mit zwei Laufwerken auf einem Regal. Ich hängte meinen Mantel über die Lehne des einen Stuhls und setzte mich hin.
    Es war 11.29 Uhr.
     
    Zwanzig Minuten später flog die Tür auf, DCI Bishop stürmte herein und spulte die üblichen Redensarten eines viel beschäftigten Mannes ab. »Tut mir leid, dass Sie warten mussten, John, aber es gab noch was Wichtiges zu tun. Sie haben doch nichts dagegen, dass ich Sie John nenne?« Seine gehetzten Worte verstummten, als er mein ramponiertes Gesicht sah. Dann, nachdem er die Luft aus den Wangen geblasen hatte, schenkte er mir ein Lächeln, das man nur als selbstgefälliges Arschloch-Grinsen bezeichnen kann. »Um Gottes willen«, sagte er und setzte sich mir gegenüber. »Ich hoffe, wir haben es in den Akten, dass Sie schon so ausgesehen haben, bevor Sie reinkamen.«
    Ich sagte nichts, sondern schaute ihn nur an. Er hatte sich nicht sonderlich verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Dieselben drahtigen Haare, derselbe verbissene Mund, dieselben kalten dunklen Augen. Er hatte eine Narbe von einem halben Zentimeter Länge an seinem sauber rasierten Kinn und in dem trüben Licht des Raums wirkte die Haut fest und weiß. Er trug ein dunkelblaues Jackett mit silbernen Knöpfen, ein hellblaues Hemd und eine burgunderrote Krawatte, die von einer feinen Goldkette festgehalten wurde.
    »Kann ich Ihnen einen Kaffee oder sonst irgendwas anbieten?«, fragte er mich.
    »Nein«, sagte ich. »Alles in Ordnung, danke.«
    Er grinste wieder. »Eisbeutel? Schmerztabletten?«
    »Nein, danke.«
    Er nickte. »Okay, ja … ich glaube, ich sagte Ihnen schon, dass ich nicht sehr viel Zeit habe. Wenn es Ihnen also recht ist …«
    Er unterbrach sich einen Moment, als ich auf meine Uhr schaute, und seine Mundwinkel strafften sich leicht. Ich sah ihn an und wartete, dass er fortfuhr. Einen Augenblick sagte er nichts, sondern starrte mich nur weiter an, dann schob er seinen Stuhl leicht vom Schreibtisch zurück, schlug die Beine übereinander und warf den Kopf lässig zur Seite.
    »Sie haben früher für Leon Mercer gearbeitet, stimmt’s?«, fragte er.
    »Ja.«
    Er nickte. »Ich kenne Leon, war ein guter Polizist. Wir haben über die Jahre ein paar große Fälle gelöst … Wie geht es ihm? Ich habe gehört, die Gesundheit macht ihm Probleme?«
    »Es geht ihm gut.«
    »In Altersteilzeit, wie ich höre.«
    Ich nickte.
    Bishop nickte ebenfalls. »Und wann haben Sie angefangen, für Mercer Associates zu arbeiten?«
    »Vor sechzehn Jahren.«
    »Richtig … das war dann …?«
    »Ungefähr ein Jahr nachdem meine Frau ermordet wurde.«
    Er nickte wieder und gab sich Mühe, mitfühlend zu wirken, doch er hatte weder das Gesicht noch das Herz dafür. Was mir nichts weiter ausmachte. Ich wollte bloß, dass diese Fragerei endlich vorbei war – er erkundigte sich nach Dingen, die er längst wusste, und ich musste antworten, weil ich etwas von ihm wollte …
    Das Ganze war nur ein mieses Spiel.
    »Muss eine wirklich schwere Zeit für Sie gewesen sein«, sagte Bishop. »Erst Ihr Vater, dann Ihre Frau …«
    »Ja«, sagte ich und starrte ihm in die Augen. »Ich war total im Arsch.«
    »Ja, natürlich … so ist das.« Er schniefte und räusperte sich. »Und … Sie haben ’97 Mercer verlassen und ihr eigenes Geschäft aufgemacht – stimmt das?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Kein besonderer Grund. Meine Mutter starb, ich kam zu etwas Geld … ich konnte es mir leisten, mich selbstständig zu machen.« Ich zuckte die Schultern. »Es war ein Job …«
    »Macht es Ihnen Spaß?«
    »Was?«
    »Ihre eigene Firma zu haben … Privatdetektiv zu sein – macht Ihnen das Spaß?«
    »Spielt das eine Rolle?
    Er sah mich eine Weile an, den Kopf leicht zur Seite gelegt, als ob er über etwas nachdächte … dann holte er tief Luft, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und seufzte. »Ich habe heute Morgen in die Akte geschaut, um zu sehen, ob es irgendwelche Fortschritte bei den Ermittlungen zum

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