Schlafende Geister
habe.«
Sie bedankte sich nicht oder zählte die Scheine, sondern steckte sie einfach in die Tasche. »Was, glaubst du, ist mit ihr passiert?«, fragte sie mich.
»Keine Ahnung. Ich werde versuchen, den Wagen ausfindig zu machen, und sehen, was ich rauskriege …« Ich schaute sie an. »Darf ich dich noch was fragen?«
»Du hast doch dein ganzes Geld jetzt ausgegeben. Womit willst du bezahlen?«
Ich zögerte, unsicher, ob sie einen Witz machte oder nicht.
Aber dann lächelte sie und sagte: »Na los, mach schon. Was willst du wissen?«
»Na ja, es ist nur … ich meine, klar, wahrscheinlich hast du’s nicht so mit der Polizei, aber wieso hast du denen nicht gesagt, was du mir gerade erzählt hast? Ich meine … das mit dem Auto, dem Kennzeichen, wie der Typ aussah. Du hättest ja einfach anonym anrufen können.«
Ihr Lächeln war plötzlich weg. »Und was hätte das genützt?«, fragte sie ganz simpel. »Wenn der Typ Anna was angetan hat, ist es schon passiert. Wenn er jetzt geschnappt wird, hilft das Anna nicht mehr. Das Einzige, was passieren würde, wenn ich’s der Polizei gesagt hätte, wär, dass sie jede Nacht herkommen und die Freier verschrecken. Und das hieße, sich für wer weiß wie lange einen andern Standort suchen, vielleicht sogar in eine andere Stadt gehen. Ist schon schlimm genug so, wie es jetzt läuft … aber keine von uns hat Lust, noch mehr Scheiße am Hals zu haben. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja …«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was du denkst.«
»Ich denk überhaupt nichts.«
»Doch, tust du wohl, verdammt. Du denkst, was ich für eine selbstsüchtige Fotze bin. Weil ich so mit meinem scheiß eigenen Kram beschäftigt bin, geht’s mir am Arsch vorbei, was mit den andern Mädchen ist, die dieser Typ aufliest, um zu tun, was immer er mit ihnen vorhat … das Einzige, was mich interessiert, bin ich.« Sie starrte mich an. »Ja, da hast du verdammt recht. Es ist das Einzige, was mich interessiert – genug Geld für Stoff, damit ich mich zudröhnen kann und den nächsten Tag überstehe.«
»Das hab ich nicht gedacht«, entgegnete ich leise.
Eine Weile sagten wir beide nichts, sondern standen nur im Schutz der Unterführung und rauchten in peinlichem Schweigen unsere Zigaretten … bis ich schließlich noch einmal meine Brieftasche rausholte und Tasha eine meiner Visitenkarten gab.
»Wenn dir noch irgendwas einfällt«, sagte ich, »ruf mich an. Ja?«
Sie nickte. »Sagst du mir Bescheid, wenn du rausfindest, was passiert ist?«
»Ja, klar …«
Leicht verwundert schaute ich zu, wie sie in ihren Taschen herumsuchte. Dann sah sie mich mit einem herzerwärmenden Lächeln an und meinte: »Scheint, als hätte ich gerade keine Visitenkarte mehr.«
Ich lachte.
Sie lachte auch, mit einem augenzwinkernden Kichern, und für einen kurzen Moment wirkte sie nicht mehr ganz so müde und ausgemergelt.
Ich sagte: »Wie erreich ich dich? Ich meine, wenn ich was über Anna erfahren hab?«
Sie lächelte traurig. »Die meisten Nächte steh ich hier … Du musst nur … du weißt schon …«
Ich nickte. »Ich komme und find dich.«
»Okay.«
»Und danke noch mal.«
»Ja«, sagte sie mit weicher Stimme und senkte den Blick. »Und jetzt verpiss dich, bevor ich noch anfang, dich zu mögen.«
Ehe ich zum Wagen zurückging, wollte ich noch mal mit ein paar anderen Mädchen sprechen, um zu hören, ob sie irgendwas über den Mann in dem Nissan Almera wussten, aber die meisten schienen weg zu sein. Die Einzige, die ich sah, war eine große Rothaarige, die sich aber gerade mit einem schweren asiatischen Typen herumstritt, den sie offenbar gut genug kannte, um ihm immer wieder gegen die Brust zu schlagen, und wahrscheinlich war es besser, die beiden in Ruhe zu lassen. Also machte ich mich mit all dem, was Tasha mir erzählt hatte und was mir noch im Kopf herumspukte, auf den Weg zurück zum Wagen.
Als ich einstieg, sah ich, wie sich fast im gleichen Moment jemand von der Beifahrerseite näherte. Es war eine junge Frau, und als sie herankam, erkannte ich in ihr eines der Mädchen, mit denen ich vorher gesprochen hatte. Sie war ein bisschen älter als die andern – Mitte zwanzig vielleicht – und trug enge Jeans, ein Bustier und einen schwarzen Ledermantel.
Als sie den Wagen erreichte und verführerisch lächelte, drehte ich die Scheibe runter.
Sie beugte sich herein, zeigte mir, was sie zu bieten hatte, und sagte: »Bist du jetzt fertig mit deinen
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