Schlafende Geister
Detektivspielchen?«
»Ja.«
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Kann ich dir noch was anderes bieten, bevor du fährst?«
Ich wollte gerade sagen: »Nein, danke«, als plötzlich eine Sirene aufheulte und die Straße in einem flackernden Blaulicht aufleuchtete, und ehe ich kapierte, was lief, war das Mädchen schon weggelaufen und zwei Polizisten in Uniform stiegen aus ihrem Streifenwagen und schritten zielstrebig auf mich zu.
12
Zuerst wurde mir der Besuch des Straßenstrichs zur Last gelegt, doch beim Aufnehmen meiner Daten bemerkte einer der Beamten den Alkoholgeruch in meinem Atem. Also ließen sie mich blasen und ich wurde wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen. Vom Rücksitz des Streifenwagens aus erhaschte ich beim Losfahren einen Blick auf das Mädchen in dem schwarzen Mantel, wie es mit einem der anderen Mädchen sprach. Offenbar war sie nicht verhaftet worden und schien sich auch keine Sorgen wegen der Polizei zu machen, daher war ich ziemlich sicher, dass meine Verhaftung inszeniert worden war.
Ich hatte keinen Zweifel, dass Bishop hinter der Sache steckte, aber was den Grund anging …? Ich überlegte, ob er der Mann in dem Nissan gewesen sein könnte. Nicht mehr jung , hatte Tasha gesagt, Anfang fünfzig, dunkle Haare, blasses Gesicht, dunkle Augen … das könnte auf Bishop passen, ein paar Jahre hin oder her. Und wenn Bishop Anna etwas angetan hatte oder wenn er auch nur einer von ihren Kunden war, würde das erklären, wieso er nicht wollte, dass ich ihr Verschwinden untersuchte. Aber Tashas Beschreibung war ziemlich vage und Mick Bishop beileibe nicht der einzige dunkelhaarige Mann mittleren Alters mit blassem Gesicht in diesem Land. Genau genommen konnte man die Beschreibung auch so deuten, dass sie auf Graham Gerrish passte. Vielleicht wusste er ja, dass Anna nachts auf den Strich ging, vielleicht war er nur aus väterlicher Fürsorge hingefahren und hatte sie aufgelesen, um sie dazu zu bewegen, dass sie ihr Leben in den Griff bekam … und dann war etwas schiefgelaufen. Sie hatten sich gestritten, die Situation war eskaliert …
Oder vielleicht hatte er sein »kleines Mädchen« aus einem ganz anderen Grund in sein Auto steigen lassen.
Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und dachte darüber nach.
Als wir auf dem Polizeirevier ankamen, wurde ich in den Haftprüfungsraum geführt, wo man mir erklärte, ich müsse warten, bis der Haftprüfungsbeamte Zeit habe. Aber außer mir war niemand im Raum und auch auf dem Weg durch die Polizeistation hatte ich keinen gesehen, der überprüft werden musste, deshalb nahm ich an, dass Befehl gegeben worden war, meinen Aufenthalt so lange und unangenehm wie nur möglich zu gestalten.
Und ich hatte recht.
Nach einer halben Stunde im Haftprüfungsraum, wo Rauchen verboten war, wie mir erklärt wurde, brachte mich der Polizist, der mich festgenommen hatte, hinüber zu dem Haftprüfungsbeamten, der mir in aller Ausführlichkeit die Beschuldigung wegen Besuchs des illegalen Straßenstrichs und das Verfahren wegen Trunkenheit am Steuer erklärte. Meine Angaben zur Person wurden erst aufgenommen und dann überprüft – was noch mal langes Warten bedeutete – und schließlich wurde alles, was ich dabeihatte, konfisziert, einschließlich Zigaretten, Handy und dem Foto von Anna Gerrish. Ich sollte etliche Fragen zu meiner Gesundheit beantworten – insbesondere, ob ich unter Depressionen litte und ob ich drogen- oder alkoholabhängig sei, wozu ich keine Angaben machte. Ich nahm auch das Angebot, einen Anwalt anzurufen, nicht wahr. Als Nächstes musste ich noch zweimal blasen und eine Blut- und eine Urinprobe abgeben – was, wie ich wusste, absolut unnötig war – und natürlich bedeutete das ein erneutes Warten auf das richtige medizinische Personal. Danach wurde ich fotografiert, es wurden Fingerabdrücke und meine DNA genommen und anschließend erklärte mir der Haftprüfungsbeamte, nach Rücksprache mit dem Polizisten, der mich verhaftet habe, sei er der Überzeugung, wenn man mich jetzt entließe, würde ich wahrscheinlich in ein Auto steigen und gleich wieder eine Straftat begehen, weshalb ich die Nacht über weiter auf dem Revier festgehalten würde.
Es musste inzwischen auf Mitternacht zugehen – ich konnte es nur schätzen, weil man mir ja die Uhr weggenommen hatte – und ich hoffte, dass das Schlimmste vorbei sei. Ich war jetzt wirklich müde, und wenn ich auch nicht sonderlich erpicht darauf war, den Rest der
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