Schlafende Geister
danach schlug er die Augen auf, spuckte auf den Boden und hievte sich in eine Sitzposition. Er sah nicht besonders gut aus – sein rechtes Auge war dort, wo ich zugetreten hatte, schwarz unterlaufen, die Kehle geschwollen und rot und sein Gesicht hatte einen kranken Grauton angenommen. Wegen der Schmerzen im Unterleib konnte er nicht aufrecht sitzen und jedes Mal, wenn er Luft holte, klang es, als würde er sterben.
»Alles okay?«, fragte ich ihn.
Er hustete, spuckte wieder und sah mich an. »Arschloch.«
Ich warf ihm seine Schachtel Zigaretten zu, aus der ich die Hälfte bereits für mich abgezweigt hatte. Er nahm eine raus, steckte sie sich in den Mund und ich warf ihm sein Feuerzeug zu. Er zündete sie an und musste sofort wieder husten. Ich nahm eine von seinen aus meiner Tasche, streckte die Hand aus und wartete, dass er das Feuerzeug zurückgab. Er starrte mich einen Augenblick an, dann warf er es mir herüber.
»Nur dass du Bescheid weißt«, sagte ich zu ihm und zündete die Zigarette an. »Wenn du auch nur versuchst, noch mal in meine Nähe zu kommen, bring ich dich um. Verstanden?«
»Arschloch«, sagte er wieder, aber es lag nichts in seiner Stimme – keine Gehässigkeit, keine Gewalt, keine Drohung – und ich wusste, es war nur ein Geräusch, das er von sich gab, ein instinktiver Reflex. Er war verletzt, verwundet. Körperlich und seelisch. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich kein Problem mehr mit ihm haben würde. Trotzdem wusste ich, als ich sah, wie er über den Boden zum Bett kroch und sich unter Schmerzen hinaufzog, dass ich die Nacht über kein Auge zutun würde.
13
Nach einer langen, schlaflosen Nacht wurde ich schließlich am nächsten Morgen um neun Uhr aus meiner Zelle entlassen. Der Haftprüfungsbeamte, der mich rausließ, war nicht derselbe, der mich eingebuchtet hatte, und anders als sein Vorgänger schien er nicht in das abgekartete Spiel involviert zu sein.
»Was ist los mit ihm?«, fragte er mich und schaute zu dem Riesenbastard hinüber, der sich wieder die Eingeweide aus dem Leib hustete. Das hatte er fast die ganze Nacht über gemacht – husten, würgen und Brocken von wer weiß was ausspucken. Aber davon abgesehen – und von den zwei Malen, als ich ertragen musste, wie er aus dem Bett kroch, um ausgiebig, laut und stinkend zu pinkeln – hatte er keine Probleme mehr gemacht.
»Ich weiß nicht, was mit ihm los ist«, sagte ich und warf einen Blick auf den immer noch hustenden Riesenbastard. »Hat wahrscheinlich Asthma oder so was.«
Ich kam mit einer Verwarnung für das Aufsuchen des Straßenstrichs davon und würde mich wegen Trunkenheit am Steuer später vor Gericht verantworten müssen.
»Wo steht mein Wagen?«, fragte ich den Haftprüfungsbeamten, als er mir einen großen braunen Umschlag mit meinen Sachen aushändigte.
Er zuckte die Schultern. »Da, wo Sie ihn stehen gelassen haben.«
»Irgendeine Chance, dass mich jemand hinfährt?«
Er lachte.
Während ich den Umschlag leerte und die Sachen wieder in meine Taschen stopfte, reichte mir der Haftprüfungsbeamte ein Formblatt.
»Schauen Sie, ob alles da ist«, sagte er. »Und dann unterschreiben Sie da unten.«
Es war alles da – Handy, Schlüssel, Foto, Feuerzeug … alles außer der Zigarettenschachtel, die mir Tasha gegeben hatte.
Ich sah den Haftprüfungsbeamten an. »Es fehlt eine Schachtel Marlboro.«
Er sah auf dem Formblatt nach. »Zigaretten sind hier nicht aufgeführt.«
»Sicher?«
Er schaute noch einmal das Blatt an. »Tut mir leid … ein Feuerzeug ist gelistet, aber keine Zigaretten.« Er sah mich an. »Sind Sie ganz sicher, dass Sie sie nicht aufgeraucht und die Packung weggeworfen haben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich hatte sie noch, als ich gestern Nacht hergebracht wurde, und ich erinnere mich genau, dass der Haftprüfungsbeamte sie mir abgenommen hat.«
»Schon«, sagte er lächelnd, »aber letzte Nacht waren Sie betrunken, nicht? Wir vergessen alle Dinge, die passiert sind, und erinnern uns an Sachen, die nicht passiert sind, wenn wir zu viel Alkohol intus haben, stimmt’s?«
Ich sah ihn an – ein harmloser, leidenschaftsloser Mann – und wusste, dass er nichts mit dem zu tun hatte, was immer hier lief. Für ihn ging es einfach um eine fehlende Schachtel Zigaretten. Aber was Bishop betraf … nun ja, da musste ich wohl davon ausgehen, dass er irgendwann in der Nacht, nachdem ich eingelocht worden war, meine Sachen durchgeschaut hatte auf der Suche nach etwas,
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