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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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das interessant sein könnte. Dabei war er auf das Kennzeichen des Nissan Almera gestoßen, das Tasha hinten auf der Zigarettenschachtel notiert hatte … und die Nummer musste ihm etwas gesagt haben. Und das hieß, es musste eine Verbindung zwischen Bishop und dem Nissan geben, was wiederum bedeutete, dass es auch eine Verbindung zwischen Bishop und Anna Gerrish gab. Wieso sonst sollte Bishop das Risiko eingehen, die Schachtel zu behalten und zu hoffen, dass ich mich nicht an die Nummer erinnern konnte? Denn eines musste ihm klar sein: Sobald ich begriff, was er getan hatte, würde ich auch wissen, warum er es getan hatte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte mich der Haftprüfungsbeamte.
    »Äh, ja …«, antwortete ich. »Alles okay.«
    »Wenn Sie wollen, dass ich das mit den Zigaretten kläre, kann ich natürlich versuchen, einen der Beamten anzurufen, die gestern mit Ihnen zu tun hatten.«
    »Nein, ist schon in Ordnung, danke. Machen Sie sich keine Mühe deswegen.«
     
    Als ich das Polizeirevier verließ, hatte es aufgehört zu regnen und ein leicht violetter Oktoberhimmel hing tief über den morgendlichen Straßen. Die Luft hatte etwas seltsam Helles an sich, einen unwirklichen Hauch, der gleichzeitig alles klärte und dämpfte. Es erinnerte mich an das Gefühl, das man hat, wenn man aus einem Kino in das späte Nachmittagslicht hinaustritt und plötzlich wieder mit der faden Leuchtkraft der realen Welt konfrontiert wird. Den Bildern, den Gerüchen, den Geräuschen …
    Alles war zu real.
    Es war Freitagmorgen. Ich war verdreckt und müde, stank aus dem Mund, die Haut juckte, ich hatte Kopfschmerzen. Und ich besaß nicht einmal Zigaretten.
    Ich machte mich auf den Weg in die Stadt.
     
    Ich kam gerade aus einem Zeitungsladen auf der Eastgate Hill und riss das Zellophan von einer Schachtel Marlboro, als ich hörte, wie jemand meinen Namen rief. »John! Hier drüben!« Und als ich hochschaute, sah ich, wie Mick Bishop sich über den Beifahrersitz eines blauen Vectra beugte, der am Straßenrand stand. Er stieß die Tür auf und winkte, ich solle einsteigen. Eine Sekunde lang dachte ich drüber nach, merkte, dass ich kaum eine Wahl hatte, ging über die Straße und stieg ein.
    »Okay?«, fragte Bishop, als ich die Tür schloss.
    »Ja …«
    Er lächelte mich an. »Sie brauchen doch sicher eine Mitfahrgelegenheit, um wieder zu Ihrem Auto zu kommen.«
    »Danke.«
    »London Road?«
    Ich nickte.
    Er sah mich einen Moment an, auf eine verschlagene Weise belustigt, dann setzte er aus der Parklücke und fuhr los.
    »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    »Muss das sein?«
    »Ja.«
    »Okay, aber machen Sie das Fenster auf.«
    Ich drehte die Scheibe runter, zündete eine Zigarette an und seufzte hörbar, als ich den Rauch ausstieß.
    »Harte Nacht gehabt?«
    Ich sah ihn an.
    »Hab’s gerade erfahren«, sagte er und lächelte wieder. »Sie sollten es wirklich besser wissen, John. Ich meine, wie wollen Sie weiterarbeiten, wenn Sie ein Jahr lang keinen Führerschein haben? Sie können ja schlecht die bösen Jungs im Bus verfolgen, oder?«
    »Sie haben es gerade erfahren?«, fragte ich.
    Er nickte. »Vor zwanzig Minuten … ich schau zu Beginn der Tagesschicht immer das Haftprotokoll durch, einfach um zu sehen, was passiert ist, wissen Sie? Und da sitze ich heute Morgen und schau es mir an und was sehe ich?« Er warf mir einen Blick zu. »John Craine, für eine Nacht inhaftiert wegen Alkohol am Steuer und illegalem Besuch des Straßenstrichs.«
    Ich hatte bereits gemerkt, dass er noch dieselben Sachen trug, die er gestern angehabt hatte – den dunkelblauen Blazer, das hellblaue Hemd und die burgunderrote Krawatte, die von einer feinen Goldkette festgehalten wurde –, und er kam mir nicht vor wie ein Mann, der zwei Tage hintereinander dieselben Klamotten trug. Und als ich das mit der Feststellung zusammenbrachte, dass er sich auch nicht rasiert hatte, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, wusste ich, dass er log. Er war nicht gerade erst zur Arbeit gekommen. Er war die ganze Nacht über auf dem Revier gewesen.
    »Sie sehen müde aus«, sagte ich.
    Er schniefte. »Ist ein anstrengender Job.«
    Mehr sagte er nicht, sondern konzentrierte sich schweigend darauf, den Wagen durch den Verkehr stadteinwärts zu lenken. Es war eine gute Gelegenheit für mich, über ein paar Fragen nachzudenken. Was hatte Bishop vor? Was wollte er von mir? Was würde ich als Nächstes tun? Aber ich war einfach zu ausgelaugt, um Antworten zu finden.

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