Schlafende Geister
all das nur vorgestellt haben?
Die Bissspuren, die Kleider, die Beweise, dass Viner Stacy umgebracht hatte.
War es möglich, dass ich all das nicht gesehen hatte?
»Nein«, murmelte ich. »Nein.«
Ich hatte das alles gesehen.
Und es gab noch vieles mehr, was ich mich fragen musste: War es möglich, dass Viner Stacys Sachen von jemand anderem bekommen hatte oder konnten sie in seinem Haus deponiert worden sein? Konnte die anonyme Nachricht, die ich bekommen hatte, eine Falle gewesen sein, ein Haufen Lügen, um Anton Viner zu verleumden und mich dazu zu bringen, ihn zu töten? Und wenn ja, wer konnte sie geschickt haben? Und warum? War es denkbar, dass der Mann, den ich getötet hatte, nur deshalb den Mord an Stacy zugab, weil ich ihm keine andere Wahl gelassen hatte …?
Und auch wenn ich wusste, dass nichts davon unmöglich war, so war mir doch gleichzeitig klar: Die Chance, dass sich all diese Dinge so zugetragen hatten, ging gegen null.
Anton Viner hatte Stacy ermordet.
Der Mann, den ich ermordet hatte, war Anton Viner.
Ich ging in die Küche, holte mir eine Flasche Whisky und ein Glas und nahm beides mit zurück ins Wohnzimmer. Ich hatte die ganzen zwei letzten Wochen nichts getrunken, und als ich mich in den Sessel setzte und die Flasche aufmachte, zögerte ich einen Moment … dachte darüber nach, entschied mich beinahe um … aber dann tat ich es doch nicht. Ich schenkte das Glas halb voll, trank einen großen Schluck, schudderte und zündete mir schließlich eine Zigarette an.
Der Einzige, der wusste, was ich mit Anton Viner gemacht hatte, war Dougie, und selbst er wusste es nicht sicher. Ihm war klar, dass ich jemanden umgebracht hatte oder zumindest in einen Mord verwickelt war, er wusste, dass wir die Leiche verbrannt hatten, und aus den damaligen Berichten im Fernsehen und in der Zeitung wusste er ganz bestimmt, dass ein Mann namens Anton Viner der Hauptverdächtige bei den Ermittlungen im Mordfall Stacy Craine war. So war es natürlich nicht schwer für ihn, sich zusammenzureimen, wessen Leiche wir da wohl verbrannt hatten.
Aber das war der Punkt – wir hatten sie zusammen verbrannt. Dougie hatte sie verbrannt, so wie er zahllose andere Leichen verbrannt hatte. Und das würde er doch niemals zugeben, oder?
Genauso wenig wie die Person etwas zugeben würde, die mir die anonyme Nachricht über Viner geschickt hatte. Nachdem Viners Verschwinden bekannt wurde, musste ihr klar gewesen sein, was mit ihm passiert war. Doch wer immer es war und aus welchem Grund auch immer er mir die Nachricht geschickt hatte, ich war mir ziemlich sicher, dass er lieber den Mund hielt. Und selbst wenn nicht, gab es keinen Beweis für das, was ich getan hatte.
Ich war zwar damals wegen Viners Verschwinden von der Polizei befragt worden, aber man hatte mich nie ernsthaft verdächtigt. Es gab einen Zeugen, einen jungen Mann, der glaubte, auf dem Heimweg von einer Party in der Nähe von Viners Wohnung gesehen zu haben, wie zwei Männer in einen Wagen stiegen, von denen der eine eventuell Viner hätte sein können … aber der junge Mann hatte die ganze Nacht Dope geraucht und war sich auch sonst alles andere als sicher … und so war bei den Ermittlungen nie etwas herausgekommen.
Ich trank mein Glas leer, schenkte mir noch eins ein und zündete erneut eine Zigarette an.
Ich konnte mir keinen Grund vorstellen, warum mich plötzlich jemand mit Viner in Verbindung bringen sollte.
Und jetzt, nachdem ich ein paar starke Drinks gekippt hatte, war mir nicht mal mehr klar, wieso ich überhaupt darüber nachdachte. Alles schien sich im Kreis zu drehen, war viel zu durcheinander, zu kompliziert, ich konnte nicht darüber nachdenken – Stacy, Viner … Viner, ich … Anna, Stacy, ich, Viner, Anna, ich …
Und Bishop.
»Scheiße«, murmelte ich. »Fuck, verdammter.«
Ich nahm das Telefon und rief im Büro an.
Ada klang so mürrisch wie immer. »John Craine, Ermittlungen.«
»Ich bin’s«, sagte ich. »Hören Sie, es ist was passiert …«
Ich erzählte ihr alles, was Bishop mir über Anna Gerrish und Anton Viner erzählt hatte, und danach sagte ich ihr, dass die Polizei das Ganze um 14 Uhr auf einer Fernsehpressekonferenz bekannt geben würde.
»Was bedeutet«, fuhr ich fort, während ich gleichzeitig auf die Uhr schaute, »dass in ungefähr einer halben Stunde die Medien anfangen werden, nach mir zu suchen.«
»Wo stecken Sie jetzt?«, fragte Ada.
»Zu Hause.«
»Arbeiten Sie noch an dem
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