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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Hauptgebäudes zuging, um im Belegschaftsraum meine Jacke zu holen, wurde mir ein tiefes Grollen bewusst, das mir sehr vertraut war – das gedämpfte Tosen des Ofens. Ich hatte immer angenommen, dass der Ofen nachts ausgeschaltet würde, deshalb war ich ein bisschen überrascht, ihn laufen zu hören, aber ich dachte nicht groß drüber nach. Ich ging einfach davon aus, dass meine Vermutung offensichtlich falsch gewesen war. Und auch während ich auf die Seitentür zuging und sah, dass Dougies Wagen hinter dem Gebäude stand und daneben ein dunkelblauer Lieferwagen, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, machte ich mir keine großen Gedanken. Wahrscheinlich hatte Dougie noch spät zu tun, vielleicht musste er den Ofen überprüfen oder sonst irgendwas und der Lieferwagen gehörte einem Freund, der ihm wohl half …
    Ich schloss die Seitentür auf und ging hinein. Im Belegschaftsraum war es dunkel, die Lichter waren ausgeschaltet, aber die Tür zum angrenzenden Verbrennungsraum stand offen und durch den Eingang sah ich einen flackernden Schein hellorangefarbener Flammen. Ich sah auch Dougie – er stand neben dem Ofen, wischte sich die Hände an einem Lumpen ab und schaute zu mir rüber. Er grinste nicht. Und dann traten zwei Männer von der anderen Seite des Raums in den Türrahmen. Einer von ihnen war mittleren Alters, gedrungen, mit kurzem weißem Haar, der andere wirkte jünger und hatte einen dunkleren Teint, vielleicht ein Türke oder Grieche.
    Als der Jüngere in seine Tasche griff, trat Dougie vor und fasste nach seiner Hand.
    »Alles in Ordnung«, hörte ich ihn sagen. »Ich kenn ihn.« Dougie drehte sich zu mir um. »Hi, John«, rief er und grinste jetzt. »Was machst du hier?«
    Was machst du hier? , dachte ich.
    »Ich hab meine Jacke vergessen«, antwortete ich und starrte auf etwas, das ich hinter Dougie am Boden entdeckt hatte. »Ich wollte sie gerade …«
    Noch immer grinsend schaute Dougie über die Schulter zu dem Bündel, das meinen Blick anzog, dann drehte er sich wieder um. »Ich hoffe, du kannst ein Geheimnis für dich behalten, John.«
    Das Bündel war offenbar eine Teppichrolle. Jedenfalls dachte ich das zuerst. Doch wenig später wurde mir klar, dass es nur ein Stück von einem Teppich war und darin eingerollt eine Leiche. Wie Dougie mir erklärte, handelte es sich um die Leiche eines jungen Zigeuners, der vom Vater und den Onkeln eines achtjährigen Mädchens zusammengeschlagen und erschossen worden war, weil er das Kind überfallen und vergewaltigt hatte. Die beiden Männer, die mit Dougie zusammenstanden, waren selbst keine Zigeuner, sondern angeheuerte Mittelsmänner, Leute, die »Dinge erledigten«.
    Dougie schien überraschend unbekümmert, als er mir das Ganze erklärte. Er grinste sein sorgloses Grinsen und drehte sich eine schöne fette Zigarette, während er mir das alles erläuterte.
    »Ist nur ein kleiner Nebenjob von mir, John«, sagte er locker. »Ein paar Überstunden, wenn du so willst. Alles wirklich ganz einfach.« Er zündete die Zigarette an. »Wenn jemand heimlich etwas loswerden will, wendet er sich an mich und ich sag ihm, wann er’s vorbeibringen soll. Wenn’s da ist, geht’s in den Brenner … und das war’s.«
    »Wenn du ›etwas loswerden‹ sagst«, fragte ich ihn und blickte hinüber zu der Teppichrolle, »meinst du dann … Leichen?«
    Dougie grinste. »Leichen, klar. Tote. Ich mein, ich verbrenn sie sowieso den ganzen Tag, der einzige Unterschied bei denen hier ist, dass sie keinen Gottesdienst kriegen, und ich muss hinterher nicht die Asche sieben.« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Außerdem werde ich wesentlich besser bezahlt.«
    »Echt?«
    Er nickte. »Bringt mir jedes Mal einen Tausender.«
    Ich sah ihn an und fragte mich plötzlich, ob er mir das Ganze nur deshalb so offen erzählte, weil er mir keine Gelegenheit geben würde, es jemals irgendwem weiterzuerzählen. Ich schaute hinüber zu dem donnernden Ofen und danach wieder zu Dougie.
    Er lachte, als er begriff, was ich dachte. »Schon gut, John. Musst dir keine Sorgen machen. Solange du dein Maul hältst …« Das Grinsen wirkte jetzt nicht mehr so warm. »Ist das für dich ein Problem?«
    »Nein«, sagte ich. »Kein Problem.«
    »Gut. Wenn du natürlich doch was fallen lässt …« Er drehte sich um, schnippte lässig die Zigarette in den Brenner und sah zu, wie sie sofort verglühte, dann wandte er sich wieder zu mir zurück. »Aber das wirst du ja nicht, oder?«
    Ich schüttelte den

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