Schlaflos in Schottland
...“ Mit zusammengekniffenen Augen hielt sie erneut Ausschau.
Triona, die hinter der Haushälterin stand, wartete geduldig. Draußen blies ein kalter Wind, rüttelte gelegentlich an den Fenstern und pfiff um die Hausecken, als wollte er an Hughs Zorn erinnern.
Wenn sie an ihren Streit vor zwei Tagen zurückdachte, krampfte sich ihr Magen zusammen. Seitdem schlief sie nicht besonders gut. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, lag das zum Teil daran, dass sie an MacLeans warmen Körper neben sich gewöhnt war. Ohne ihn schien das Bett kälter und sogar größer zu sein.
Mrs Wallis richtete sich auf und verfehlte mit ihrem Kopf nur knapp den Balken über sich.
„Vorsicht!“, warnte Triona sie und hielt die Laterne höher.
„Ja, die Dachsparren sind niedrig.“
„Und sehr stabil.“ Triona schaute sich um. „Selbst dieser Teil des Hauses ist außerordentlich solide gebaut. Der Dachboden in Wythburn hat die Größe eines Wandschranks, und es sieht dort furchtbar aus.“
„Ja, Mylord vollbringt wahre Wunder. Als die Handwerker mit dem Haus fertig war’n, hat er sie zum Laird geschickt, damit sie an der Burg arbeiten. Auch da haben sie erstaunliche Dinge erreicht.“ Triona hatte die Burg schon viele Male gesehen. Riesengroß und imposant thronte sie auf einem Berg auf der anderen Seite des Tals. Mams großes Haus stand ebenfalls an diesem Berg. Wenn sie als Kind ihre Großmutter besucht hatte, pflegte Triona sich vorzustellen, dass die beiden Gebäude - die alte Burg der mit einem Fluch belegten MacLeans und das neue Herrenhaus, in dem Mam immer Kekse für ihre Enkelinnen bereithielt - Wache über das verschlafenen Städtchen hielten, das sich neben dem Fluss ins Tal schmiegte.
„Halten Sie die Lampe in diese Richtung. Ich glaube, der Koffer, den wir brauchen, könnte in der Ecke da drüben sein.“
Triona tat, wie ihr geheißen, und wurde mit einem glücklichen Aufschrei von Mrs Wallis belohnt. „Ja! Da is’ er! Ich werd’ Liam heraufschicken, um ihn zu holen.“ Sie lächelte Triona an. „Es is’ wirklich nett von Ihnen, dass Sie den Mädchen neue wollene Petticoats für ihre Reitkostüme nähen wollen. Seine Lordschaft denkt nich’ an die Kälte, und er nimmt die armen Kinder auch beim schlimmsten Wetter auf seinen Ausritten mit. Es is’ ein Wunder, dass sie noch nich’ an der Grippe gestorben sind!“
Auch Triona hätte einige Anmerkungen zum Verhalten Seiner Lordschaft beitragen könnten, aber keine von ihnen war geeignet, öffentlich ausgesprochen zu werden.
Die Haushälterin nahm Triona die Laterne aus der Hand und eilte die Treppe hinunter. Während Triona sich hinter ihr die Stufen hinunterschleppte, ächzte sie: „Mir tut vom Reiten alles weh. Wird das jemals besser?“
Mrs Wallis lachte in sich hinein. „Denken Sie mal nach, wie lange Sie heut’ Vormittag auf dem Pferd gesessen haben, und noch dazu, ohne dass Ferguson dabei war! Ich hab’ mich schon ein bisschen um Sie gesorgt, schließlich waren Sie ganze zwei Stunden fort.“
„Ich bereue jetzt jede einzelne Minute davon.“
Mrs Wallis lächelte sie strahlend an. „Nun, ich glaub’, es is’ eine gute Sache, die Sie da tun. Seine Lordschaft wird sich so freuen. Pferde sind sein Leben - er lebt und er atmet durch sie.“
Missbilligend schnalzte die Haushälterin mit der Zunge. „Was aber schlimm is’, er bringt den drei jungen wilden Dingern bei, genauso zu werden. Jeden Tag nimmt er sie auf seinem Ausritt mit, bei Regen und bei Sonnenschein.“
Weil er sie liebt. Seit Hugh das Haus verlassen hatte, war Triona in Gedanken ihren Streit wieder und wieder durchgegangen. Jedes Mal, wenn sie zu dem Punkt kam, an dem sie ihn beschuldigt hatte, er könne keine echte Zuneigung zeigen, zuckte sie zusammen.
Das war schrecklich falsch, denn er liebte die Mädchen wirklich von ganzem Herzen. Sie war verletzt und zornig gewesen, und ihre Worte hatten ihren Zweck erreicht - sie hatte ihn ebenso wütend gemacht, wie sie auf ihn gewesen war.
Trionas Kehle wurde eng, und sie musste sich räuspern, bevor sie fragte: „Warum nennen Sie die Mädchen ,wilde Dinger?“
„Sie sind verwöhnt, das sind sie. Wenn es meine Kinder wär’n, würd’ ich ihnen eine ordentliche Tracht Prügel verpassen. Seine Lordschaft sieht nicht den Ärger, den sie machen. Wenn er im Haus is’, sind sie die reinsten Engelchen, aber er braucht nur zehn Minuten weg zu sein ...“ Sie starrte finster vor sich hin. „Gerade erst letzte Woche hat eine von ihnen
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