Schlaflos in Schottland
konnte, war Tante Lavinia entschlossener denn je, eine aufwendige Hochzeit zu planen. Sie verteilte überall im Haus Spitzenstoffe, Bänder und sogar Zeichnungen von pompösen Hochzeitskleidern. Triona tat, als würde sie nichts davon bemerken, obwohl ihr das Ganze sehr auf die Nerven ging. Noch schlimmer waren aber Tante Lavinias finstere Andeutungen, sie und Onkel Bedford seien besorgt, ob MacLean überhaupt vorhabe, jemals „dem Anstand zu genügen“ und „seine Pflicht zu tun“. Triona war dem Wahnsinn nahe.
Ohne Caitlyn, die mit ihr fühlte und sie unterstützte, hätte Triona sicher eine Nachricht an MacLean gesandt und ihn gebeten, sie schon vor Freitag abzuholen, ganz gleich, welche Folgen das gehabt hätte.
Natürlich hatte Caitlyn ihre eigene Meinung zu den Vorkommnissen. Sie hielt es für niederträchtig, dass MacLean nicht jeden Tag zu Besuch kam, um sie alle von der Ehrenhaftigkeit seiner Absichten zu überzeugen. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte Triona fest, dass sie den Zorn ihrer Schwester nicht teilte. MacLean hatte gesagt, er werde die Angelegenheit in die Hand nehmen, und sie glaubte ihm. Obwohl er sich bereit erklärt hatte, den Regeln der Gesellschaft entsprechend zu handeln, würde er dies auf seine Weise tun und nicht unbedingt so, wie andere es von ihm erwarteten.
Sie konnte nicht anders als sein Verhalten gutzuheißen, auch wenn sie dadurch zum Warten verdammt war. Schließlich waren sie in diesem Fall einer Meinung. Doch was würde geschehen, wenn sie sich einmal nicht einig waren? Seine ruhige Missachtung der Einstellung anderer Menschen war nur so lange eine gute Sache, bis er zum ersten Mal nichts auf ihre Ansichten geben würde.
Während die Stunden unendlich langsam verstrichen, hatte Triona sehr viel Zeit, ihre Situation zu beklagen. Es war für sie nicht etwa eine schlimme Vorstellung, zu heiraten. Ihre Eltern führten eine wunderbare Beziehung: Sie waren selten getrennt, gingen respektvoll miteinander um, verstanden einander und hatten übereinstimmende Werte und Moraleinstellungen. Doch genau dieses Wissen darum, wie wahre Liebe aussah, machte sie traurig. Indem sie einer Heirat mit MacLean zustimmte, gab sie die Möglichkeit auf, jemals eine Ehe wie die ihrer Eltern zu führen. Für immer würde dieser Traum unerreichbar bleiben.
Sie rieb sich die schmerzenden Schläfen. Vielleicht wurde ihre Ehe mit MacLean ja nicht so schrecklich, wie sie befürchtete. Vielleicht gelang es ihnen, eine Art Kompromiss oder gemeinsame Interessen zu finden. Wenigstens erfüllte MacLean die grundsätzlichen Anforderungen an einen annehmbaren Ehemann. Auf jeden Fall war er gut aussehend und brachte noch ein paar weitere positive Eigenschaften mit. Er schien gebildet zu sein und war redegewandt. Er wusste sich zu benehmen und war offensichtlich intelligent. Es gab auch keinerlei Zweifel an seiner hervorragenden Herkunft.
Zudem besaß er die Fähigkeit, sie mit einem einfachen Kuss dahinschmelzen zu lassen.
Dennoch ... war das eine gute Eigenschaft oder eher eine schlechte? Oder war es einfach die Art und Weise, wie er jede Frau behandelte, die ihm über den Weg lief? Und wenn es so war, machte das ihren zukünftigen Ehemann zu einem Schwerenöter? Er hatte ihr gesagt, er sei in niemanden verliebt, und erklärt, er halte sich für unfähig, ein so tiefes Gefühl zu entwickeln. Doch sie hatte nicht daran gedacht, ihn zu fragen, ob er eine Geliebte habe. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich damit abfanden, gedemütigt zu werden, zum Beispiel durch einen Ehemann, der sich eine Mätresse hielt. Dieser Gedanke bedrückte sie sehr.
Endlich wurde es Freitag, und der Morgen war ebenso grau und wolkenverhangen wie Trionas Stimmung. Sie kleidete sich besonders sorgfältig an und bedauerte dabei, dass sie nicht ihr bestes Kleid anziehen konnte. Das wagte sie nicht, weil sie befürchtete, damit Tante Lavinias Misstrauen zu erregen. Also gab sie sich damit zufrieden, ihr liebstes Vormittagskleid zu tragen. Es war aus blassblauem Musselin und wurde unter der Brust und an den Ärmeln von blauen und grünen Bändern zusammengehalten. Die Farbe ließ Trionas haselnussbraune Augen grüner erscheinen und der weite Rock wärmte sie an diesem kalten Tag.
Triona hatte soeben ihren Koffer geschlossen und auf den Boden gestellt, als es leise an der Tür klopfte.
„Herein“, sagte sie.
Die Tür öffnete sich, und Caitlyn kam ins Zimmer, und ihr Blick blieb sofort an dem aus allen Nähten platzenden
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