Schlaflos in Schottland
den Schein zu wahren. Warum vergesse ich das immer wieder?
Es war nicht nötig, dass sie in Gilmerton ein Zuhause für Hugh und sich erschuf, denn sie würde dort nur zu Besuch sein. Doch es entsprach nicht ihrem Wesen, sich in einem Haus aufzuhalten und nicht zu einem Teil des Haushalts zu werden. Selbst in der kurzen Zeit bei Tante Lavinia hatte sie dabei geholfen, die Speisefolgen festzulegen, das Sortieren der Bettwäsche überwacht und noch weitere alltägliche Arbeiten übernommen, die ihre Tante nicht gern erledigte. Sie ging davon aus, dass sie solche Dinge auch in Gilmerton tun konnte. Auf diese Weise würde die Zeit schneller vergehen.
Sie fragte sich, wie das Haus wohl sein mochte. Ob es auf einem Hügel oder an einem See lag, ob es im Winter so kalt war wie das Pfarrhaus und wie viele Dienstboten es dort gab.
Plötzlich erinnerte sie sich an Tante Lavinias Behauptung, dass Hugh MacLean mehrere illegitime Kinder hatte. Würden sie ebenfalls dort sein? Falls es so war, hatte sie wenigstens Gesellschaft.
Mit gerunzelter Stirn überlegte Triona, wie sie das Gespräch auf dieses Thema bringen konnte. „Also ... erzähl mir doch etwas über Gilmerton Manor.“
Sein Blick flackerte, und gleichzeitig zog er die Brauen zusammen. Doch wenige Sekunden später zeigte er schon wieder seine übliche ruhige, unergründliche Miene. Doch es war zu spät - Triona hatte den flammenden Blick gesehen. Allerdings wusste sie nicht, wie sie ihn interpretieren sollte. Was hat dieser Gesichtsausdruck zu bedeuten? Habe ich etwas Falsches gesagt ? Verdammt, ich habe das Recht, Fragen zu stellen!
Bevor sie ihre Gedanken in Worte fassen konnte, antwortete er ihr. „Gilmerton ist groß und besitzt ausdehnte Ländereien. Der größte Teil des Gebäudes wurde im dreizehnten Jahrhundert errichtet. Aus diesem Grund müssen wir uns jedes Jahr mit einem weiteren Abschnitt des Daches beschäftigen. Es wird immer wieder undicht.“
„Ist es eine Ruine?“
Sein leises, tiefes Lachen umgab sie wie ein warmer Mantel. „Nein. Es gibt aber Gebäudeteile, die besser instand sind als andere.“
„Ich freue mich darauf, das Anwesen zu sehen. Er klingt, als wäre es riesig und eigentlich viel zu groß für uns zwei allein.“ Gespannt wartete sie, was er zu ihrer Bemerkung sagen würde.
Er runzelte die Stirn, und sein Blick war plötzlich kühl. „Die meiste Zeit werden wird dort allein sein.“
Plötzlich war die Atmosphäre so eisig, dass sie erschauderte. „Ist dir kalt? Wo ist denn die zusätzliche Decke?“ Er nahm ihre bloßen Hände zwischen seine behandschuhten Finger und zog sie neben sich auf die Sitzbank. Dann öffnete er den Aufbewahrungskasten unter dem Platz, auf dem sie gesessen hatte, zog eine dicke Wolldecke hervor und hüllte sie hinein. Dabei streiften seine Hände sanft ihren Hals.
Triona musste das unerklärliche Verlangen niederkämpfen, sich eng an ihn zu schmiegen. Ihr neuer Ehemann war eine Mischung aus Kälte und Wärme. In einem Augenblick machte er ihr kühl klar, dass er nicht die Absicht hatte, ihre Fragen zu beantworten, und im nächsten Moment deckte er sie fürsorglich mit einer dicken Decke zu. Nur zu gern wollte sie glauben, dass die freundliche Seite seines Wesens seinen wahren Charakter widerspiegelte, doch das konnte sie nicht. Wie sollte es ihr jemals gelingen, diesen rätselhaften, widersprüchlichen Menschen zu verstehen?
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich bin nicht an eine solche Kälte gewöhnt, trotz der vielen Besuche bei meiner Großmutter in Schottland. Obwohl das Pfarrhaus, in dem ich mit meiner Familie gelebt habe, nördlich von London liegt, scheint es dort immer sehr viel wärmer zu sein.“
„Wenn dir das jetzt schon kalt vorkommt, dann warte mal ab, wie es sein wird, wenn wir immer weiter nach Norden fahren.“ „Wie lange werden wir für die Reise brauchen?“
„Vier Tage, wenn wir gut vorwärtskommen. Das hängt sehr stark vom Wetter ab. Die Straßen in Schottland sind längst nicht so gut wie die in England, und wenn es stark regnet oder schneit, kommt man dort nur sehr langsam voran.“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Falls es dir nichts ausmacht, würde ich gern die kommende Nacht ohne längere Pause durchfahren. Wir haben Vollmond, sodass es nicht allzu gefährlich sein sollte, nachts zu fahren. Es sind genügend Kissen in der Kiste unter der Bank, und die Sitze sind sehr gut gepolstert, für den Fall, dass du schlafen möchtest.“
„Ganz wie du
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